Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit deutschen Rechts durch Tarifvertrag. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Zulässige Versetzung an ausländischen Einsatzort mittels Direktionsrecht. Keine unangemessene oder benachteiligende Versetzungsklausel bei Zuweisung eines ausländischen Einsatzortes
Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Arbeitsvertrag eines Piloten mit einer international agierenden Fluggesellschaft kein konkreter Arbeitsort festgelegt und eine unternehmensweite Versetzbarkeit vereinbart, so kann der Pilot auch im Wege des Direktionsrechtes an eine ausländische "Basis" versetzt werden.
2. Diese Vereinbarung verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB.
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht ein Tarifvertrag vor, dass auf das Arbeitsverhältnis für alle an deutschen Basen stationierten Piloten einer international operierenden Fluggesellschaft deutsches Recht zur Anwendung kommt, so ist dies zulässig. Denn die Notwendigkeit des tariflichen Schutzes kann bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten nicht geringer eingeschätzt werden als bei rein nationalen Sachverhalten. Die anwendbare Rechtsordnung ist eine tariflich regelbare Arbeitsbedingung.
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.
Normenkette
BGB §§ 305 ff.; GewO § 106; EGV 593/2008 (Rom I-VO) v. 17.06.2008 Art. 8; TVG §§ 3, 4 Abs. 1; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 16.11.2020; Aktenzeichen 7 Ca 796/20) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 16.11.2020 - Az. 7 Ca 796/20 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung, hilfsweise über die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung sowie Weiterbeschäftigung zu unveränderten Vertragsbedingungen.
Der am ... 1965 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit 26.03.2018 bei der Fluggesellschaft R. DAC als First Officer auf dem Muster Boeing 737-800 beschäftigt und am Flughafen in Nürnberg stationiert. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 01.01.2020 im Weg des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese ist eine zur irischen R.-Gruppe gehörende Fluggesellschaft mit Sitz in Malta und Heimatbasis auf dem Flughafen von Malta. Sie führt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland, Italien, Frankreich, Malta und Rumänien internationale Flüge durch.
Der Kläger ist Mitglied in der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V..
Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 23.03.2018 (vgl. Bl. 86 ff. d.A.) wurde unter Ziffer 36.1 die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart. Der Arbeitsvertrag wurde seitens der R. DAC in Irland unterzeichnet.
In Ziffer 8.1 des Arbeitsvertrages vom 23.03.2018 wurde vereinbart, dass der Kläger ein jährliches Grundgehalt von € 19.000,00 erhält. Zuletzt verdiente er ein Grundgehalt von € 4.166,67 brutto monatlich zuzüglich einer "allowance" von € 458,33 monatlich (vgl. Bl. 102 f. d.A.).
Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages vom 23.03.2018 enthält folgende Regelung:
"R.'s aircraft are registered in the Republic of Ireland and as you will perform your duties on these Irish aircraft your employment is based in the Republic of Ireland. You will be located principally at Nuremberg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires for the proper fulfilment of your duties and responsibilities under this Agreement. It is a condition of your employment that you comply with any such requirement. This would include, for the avoidance of doubt, transfer to any of the Company's bases without compensation. It must be understood that should you be transferred to another base you will be paid in accordance with the prevailing salary and flight pay system at that base."
Der Kläger übersetzt diese vertragliche Regelung wie folgt:
"Die Flugzeuge von R. sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Aufgaben mit diesen irischen Flugzeugen wahrnehmen werden, hat Ihr Arbeitsplatz seinen Sitz im Gebiet der Republik Irland. Sie befinden sich hauptsächlich am Nürnberger Airport und an einem anderen Ort oder anderen Orten, die das Unternehmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Voraussetzung für Ihre Anstellung, dass Sie diese Anforderung erfüllen. Dies würde zur Vermeidung von Zweifeln eine entschädigungslose Übertragung auf einen der Standorte der Gesellschaft beinhalten. Es muss verstanden werden, dass Sie, wenn Sie auf...