Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung. Zwangsmittel. Bestimmtheit
Leitsatz (redaktionell)
Wird der Arbeitgeber durch ein Urteil verpflichtet, den Arbeitnehmer „als Lagerleiter weiter zu beschäftigten”, ist anhand des Urteils und sonstigen im Erkenntnisverfahren vorgelegten Urkunden im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob eine solche Kennzeichnung des Beschäftigungsinhalts konkret genug ist, um nach § 888 ZPO vollstreckt werden zu können. Die bloße Bezeichnung „Lagerleitung” ist aus sich heraus nicht eindeutig und bestimmt genug.
Normenkette
ZPO §§ 793, 888
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 20.10.2004; Aktenzeichen 4 Ca 4390/02) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.10.2004 – 4 Ca 4390/02 – aufgehoben. Der Antrag des Gläubigers gegenüber der Schuldnerin Zwangsmittel festzusetzen, um sie anzuhalten, den Gläubiger als Lagerleiter zu beschäftigen, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Gläubiger zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Vollstreckung des Teil-Urteils vom 21.01.2004 (Bl. 199 ff. d.A.), an die Beklagte zugestellt am 24.02.2004. Darin wird die Schuldnerin verurteilt, den Gläubiger „als Lagerleiter weiter zu beschäftigen”.
Im Tatbestand dieses Teil-Urteils heißt es:
„Der Kläger [und hiesiger Gläubiger] wurde am 01.05.1994 durch den Geschäftsführer […] zur Betreuung des vorhandenen Lagers und zur Baumaterialauslieferung eingestellt. Zwischen den Parteien wurde die Vergütung nach Stunden vereinbart […]. In der Folgezeit kam es zu einer Expansion des Unternehmens. Schließlich wurde ein neuer Lagerkomplex in […] erstellt.”
In den Urteilsgründen heißt es: „Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Kläger seinerzeit Lagerleiter war. […], so hat der Zeuge […] im Rahmen seiner Vernehmung […] bekundet, der Geschäftsführer selber habe ihm [den Kläger und hiesigen Gläubiger] als Lagerleiter vorgestellt. Darüber hinaus sei im 6-Augengespräch geklärt worden, wer welche Befugnisse haben und wie die Aufgabenverteilung erfolgen solle. Dabei sei ihm der Kläger jeweils als vorgesetzte Person dargestellt worden. […] Demzufolge hat die Kammer dem Zeugen in vollem Umfang geglaubt. War der Kläger aber […] Lagerleiter und haben die Parteien im Vergleichswege vereinbart, das Arbeitsverhältnis solle zu unveränderten Bedingungen fortbestehen, muss die beklagte Partei den Kläger nunmehr vertragsgemäß beschäftigen, mithin als Lagerleiter.”
Das Arbeitsgericht gab nach Durchführung einer Beweisaufnahme dem Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes (hilfsweise Zwangshaft) zur Erzwingung der Verpflichtung „Beschäftigung des Klägers als Lagerleiter” bei Bemessung eines Zwangsgeldes auf 10.000 EUR mit Beschluss vom 20.10.2004 statt. Zur Begründung führte es aus, die Beschäftigung des Gläubigers sei nicht urteilsgemäß. Der einvernommene Zeuge habe glaubhaft bekundet, dass alle Mitarbeiter am Lager gleichgestellt seien, dass der Mitarbeiter F. die Einteilung vornehme und dass der Gläubiger keine Büroarbeit leiste. Daraus sei zu folgern, dass die Schuldnerin das Urteil ignoriere.
Die Schuldnerin hat gegen den ihr am 10.12.2004 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 20.12.2004, eingegangen am 21.12.2004,
eingelegt. Zur Begründung hat sie sich darauf gestützt, der Gläubiger weigere sich seit Beginn des Jahres 2004, die eingehenden Aufträge einzusehen und zu verteilen, das Büro zu betreten und den PC zu bedienen, um sie, die Schuldnerin, auf diesem Weg dazu zu bringen, ihm einen schriftlichen Arbeitsvertrag „als Lagerleiter” zu erteilen. Es sei mithin von dem Gläubiger zu verantworten, dass er bestimmte Tätigkeiten nicht ausführe; soweit sie (die Schuldnerin) den Einsatz des Gläubigers jedoch steuern könne, behandele sie ihn als Lagerleiter.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Gläubiger ist nicht berechtigt, im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO eine im einzelnen nicht näher beschriebene Beschäftigung „als Lagerleiter” zu erzwingen, soweit diese über die Art und Weise seiner bisherigen Beschäftigung hinausreichen soll.
1.
Die nach §§ 78 Satz 1 ArbGG, 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegt und ist auch sonst zulässig.
2.
Die sofortige Beschwerde ist darüber hinaus auch begründet. Zwar liegen die allgemeinen Voraussetzungen der nach § 888 ZPO erfolgenden Vollstreckung eines Beschäftigungsanspruches vor, dem titulierten Anspruch fehlt aber im Hinblick auf die vom Gläubiger angestrebte qualitativ höherwertige Tätigkeit im Streitfalle die hinreichende Bestimmtheit für eine Vollstreckbarkeit.
Entscheidungsgründe
Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines vollstreckungsfähigen Titels auf Beschäftigung werden in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Die am weitesten reichende Ansicht von Grunsky geht...