Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft. Rechtsweg
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis „Minijob”) ist ein Arbeitsverhältnis.
2. Die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fehlabwicklung eines Beschäftigungsverhältnisses ändert nichts an dessen möglicher Einordnung als Arbeitsverhältnis.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3; GVG § 17a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 10.12.2009; Aktenzeichen 6 Ca 509/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 10. Dezember 2009, Az.: 6 Ca 509/09, aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Die Klägerin ist Fachärztin und betreibt im Evangelischen Krankenhaus Z-Stadt eine Praxis für plastische, ästhetische und Handchirurgie. Die Beklagte ist Dipl. Ökotrophologin und betreibt in A-Stadt eine Praxis für Ernährungs- und Entspannungstherapie. Die Beklagte war seit Anfang Januar 2009 für die Klägerin tätig und stellte ihr monatlich ein Honorar in Höhe von EUR 520,00 in Rechnung. Am 31.03.2009 zahlte ihr die Klägerin einen Vorschuss für die Zeit vom 01.04. bis zum 31.07.2009. Die Beklagte teilte der Klägerin mit undatiertem Schreiben am 22.04.2009 mit, dass sie ihre Tätigkeit „als freie Mitarbeiterin” mit sofortiger Wirkung beende. Mit am 26.06.2009 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Vorschusses für die Monate Mai bis Juli 2009 in Höhe von EUR 1.560,00. In der Klageschrift führt sie aus, die Beklagte sei bei ihr „weisungsgebunden geringfügig beschäftigt” gewesen.
Die Klägerin ist nunmehr der Ansicht, zwischen ihr und der Beklagten habe kein Arbeitsverhältnis bestanden, während die Beklagte das Gegenteil behauptet.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10.12.2009 (Bl. 40-43 d. A.) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Zweibrücken verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der ihr 25.01.2010 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 27.01.2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27.05.2010 (Bl. 70-72 d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig. Sie ist nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthaft und wurde form- und fristgerecht (§ 48 Abs. 1 ArbGG, § 569 ZPO) eingelegt.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben. Nach dem Sachvortrag der Parteien ist davon auszugehen, dass zwischen ihnen für die Dauer der Beschäftigung der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Klägerin macht vorliegend eine Forderung auf Rückzahlung eines unstreitig geleisteten Vorschusses geltend, die entweder auf zivilrechtliche oder auf arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, die sich jedoch gegenseitig ausschließen (sog. aut-aut-Fall). Bei einem solchen Streitgegenstand muss das Gericht in seiner Rechtswegentscheidung prüfen, ob die Beklagte als Arbeitnehmerin oder wenigstens als arbeitnehmerähnliche Person für die Klägerin tätig war.
Im vorliegenden Fall behauptet die Beklagte, sie sei als Arbeitnehmerin für die Klägerin tätig gewesen. Dagegen spricht nicht, dass die Beklagte der Klägerin monatlich Honorare in Rechnung gestellt und in ihrem Kündigungsschreiben ihre Tätigkeit als „freie Mitarbeiterin” mit sofortiger Wirkung beendet hat. Die sozial- und steuerrechtliche Behandlung der Beklagten ist arbeitsrechtlich ohne Belang, weil für die Abgrenzung eines freien Mitarbeiterverhältnisses zu einem Arbeitsverhältnis primär auf die Umstände abzustellen ist, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht auf die Modalitäten der Bezahlung (BAG Urteil vom 14.03.2007 – 5 AZR 499/06 – Rn. 34 – EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10, m.w.N.).
Nicht nur die Beklagte, sondern auch die Klägerin ist im Übrigen selbst davon ausgegangen, dass die Arbeitsgerichte zuständig sind, denn sonst hätte sie dort nicht ihre Klage erhoben (zu diesem Aspekt: LAG Köln Beschluss vom 10.11.2006 – 10 Ta 371/06 – Rn. 5 – ArbuR 2007, 14). In der Klageschrift vom 25.06.2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich ausgeführt, dass die Beklagte „bei der Klägerin weisungsgebunden geringfügig beschäftigt” gewesen sei.
Auch der Inhalt der schriftlichen Stellungnahme der Klägerin persönlich vom 02.11.2009 sowie des Anwaltschriftsatze...