Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Identität zwischen festzustellendem Bestand des Arbeitsverhältnisses und Annahmeverzugslohn. Streitwert der Kündigungsschutzklage als Obergrenze bei wirtschaftlicher Identität. Kostenersparnis des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG aus Gründen der Arbeitserleichterung für das Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zwischen einem Bestandsschutzantrag und dem Antrag auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit ab dem behaupteten Beendigungstermin besteht wirtschaftliche Identität iSd. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG bis zum Wert des Bestandsschutzantrags nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, weil dieser Annahmeverzugslohn vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt und der Zahlungsantrag in diesem Verfahren ohne weiteres abgewiesen werden kann, wenn der Bestandsschutzantrag erfolglos ist.

2. Die Kostenersparnis aus § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG dient dem Zweck, eine Arbeitserleichterung des Gerichts zu fördern, die sich daraus ergibt, dass der Rechtsstreit statt in zwei getrennten Verfahren über den Bestandsschutzantrag einerseits und den Zahlungsantrag andererseits in einem einheitlichen Verfahren behandelt wird und auf diese Weise Personal-, Termin- und Raumkapazitäten des Gerichts geschont werden. Die Norm bezweckt nicht, Prozessvertreter oder Gericht von der Behandlung schwieriger Rechtsfragen zu entlasten. Kostenrechtlich ist es deshalb unerheblich, ob die beklagte Partei gegen den Zahlungsantrag sonstige Einwände erhoben hat.

3. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG verlangt eine rein wirtschaftliche Betrachtung der Verfahrensgegenstände. Auf den prozessualen Streitgegenstandsbegriff kommt es insoweit nicht an.

 

Normenkette

BGB § 615; GKG §§ 39, 42 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 1 S. 3, § 63 Abs. 2, § 68 Abs. 1; RVG § 23 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 2, § 33 Abs. 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 128 Abs. 4; TzBfG § 14 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 78 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 06.05.2020; Aktenzeichen 11 Ca 3168/19)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15. Mai 2020 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6. Mai 2020 - 11 Ca 3168/19 - abgeändert und der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigen der Klägerin insgesamt wie folgt neu festgesetzt:

    für den Verfahrenszeitraum 15. Oktober 2019 bis 31. Oktober 2019: 4.991,65 Euro,

    für den Verfahrenszeitraum 1. November 2019 bis 7. Januar 2020: 5.414,76 Euro und

    für den Verfahrenszeitraum ab 8. Januar 2020: 4.991,65 Euro.

  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer zur Hälfte.
 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer (Prozessvertreter der Klägerin) wendet sich gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts durch das Arbeitsgericht.

In der Hauptsache stritten die Parteien über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung und / oder Zweckbefristung. Die Klägerin wurde zum 12. August 2019 auf der Grundlage des Arbeitsverhältnisses vom 26. Juli 2019 in Teilzeit bei einer Bruttomonatsvergütung von 1.482,67 Euro eingestellt. Ihre Aufgabe bestand darin, das Schulkind D. K. in der Schule zu betreuen. Im Arbeitsvertrag heißt es hierzu:

"§ 1

Frau A., nachfolgend "die Mitarbeiterin", wird gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG als Integrationshilfe im DRK-Kreisverband C. für die Betreuung von D. K. befristet eingestellt.

Die Vertragsdauer ist abhängig von der Bewilligung des Kostenträgers.

Diese liegt bei Vertragsschluss vor für die Zeit vom 12.08.2019 bis zum 31.01.2020.

[...]

§ 12

Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Wegfall des in § 1 genannten Vertragszwecks und/oder mit Beendigung der Finanzierungszusage des Kostenträgers. Die ordentliche Kündigung ist durch die Befristung nicht ausgeschlossen."

Mit Schreiben vom 28. August 2019 wurde die Kostenzusage für die Eingliederungshilfe des Schulkinds D. K. auf Wunsch der Kindsmutter zum 19. August 2019 beendet und die Kostenzusage des Leistungsträgers zum selben Termin widerrufen. Hierüber wurde die Klägerin mit E-Mail vom 20. August 2019 von der Beklagten unterrichtet und zugleich wurde ihr mitgeteilt, dass der Arbeitsvertrag damit ebenfalls ende. Die Beklagte bot der Klägerin jedoch mit E-Mail vom 20. August 2019 an, mit 23 Wochenstunden andere Klienten zu betreuen, was die Klägerin ablehnte. Die Vergütung für August 2019 wurde der Klägerin ausgezahlt.

Mit der am 15. Oktober 2019 eingereichten Klageschrift vom 4. Oktober 2019 wandte sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und begehrte sie die Vergütungszahlung für September bis November 2019.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die alternativ angebotenen Arbeitsverhältnisse hätten allesamt zu einer niedrigeren Vergütung geführt und eine Qualifikation erfordert, über die sie nicht verfüge. Sie seien deshalb zu Recht von ihr ausgeschlagen worden.

Die Klägerin hat schriftsätzlich folgende Anträge angekündigt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin besteht.
  2. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin

    ein Bruttogehalt in Höhe von 1....

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