Entscheidungsstichwort (Thema)

Erklärungspflicht, Umfang der. Formular. Nichtabhilfebeschluss. Prozesskostenhilfe, Aufhebung der. Rechtspfleger. Verhältnisse, Änderung der. Verhältnisse, persönliche und wirtschaftliche. Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung. Umfang der Erklärungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO ist die Partei im Nachprüfungsverfahren nicht verpflichtet, eine erneute vollständige Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzugeben und das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei im Sinne von § 117 Abs. 3 ZPO erneut auszufüllen. Nach dem Gesetzeswortlaut hat sie sich vielmehr zunächst nur dazu zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Fordert der Rechtspfleger die Partei im Beschwerdeverfahren auf, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend darzulegen und legt er das Formular gem. § 117 Abs. 3 ZPO bei, so muss die Partei davon ausgehen, erneut umfassend zu einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet zu sein. Darin liegt eine unzulässige Aufforderung seitens des Rechtspflegers vor. Der Nichtabhilfebeschluss kann dann nicht auf die unterlassene Erklärung über die Einkommens – und Vermögensverhältnisse gestützt werden.

 

Normenkette

ZPO § 117 Abs. 3, § 120 Abs. 4 S. 2, § 124 Nr. 2, §§ 127, 567; ArbGG § 78

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 25.05.2010; Aktenzeichen 8 Ca 1224/08)

ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 27.01.2010; Aktenzeichen 8 Ca 1224/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.05.2010 – 8 Ca 1224/08 – aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht Kaiserslautern zur erneuten Entscheidung über eine Abhilfe der Beschwerde zurückverwiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die beschwerdeführende Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung des ihr Prozesskostenhilfe gewährenden Beschlusses.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat der Klägerin für die von ihr betriebene Lohnzahlungsklage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ohne Zahlungsbestimmung bewilligt.

Nach Abschluss des Rechtsstreits hat das Arbeitsgericht die Klägerin mehrfach aufgefordert, zu erklären, ob sich zwischenzeitlich eine Änderung ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse ergeben habe. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagierte, hat das Arbeitsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 27.01.2010, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 28.01.2010, aufgehoben.

Mit am 16.02.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei nicht in der Lage, den ausstehenden Betrag kurzfristig zu zahlen. Aktuell habe sie einen Bruttomonatsverdienst in Höhe von 1.380,– Euro. Sie habe einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin daraufhin mitgeteilt, im Beschwerdeverfahren sei es erforderlich, dass sie ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend darlege und durch aktuelle Belege nachweise, wozu sie das beigefügte Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwenden könne. Als die Klägerin auf diese Mitteilung hin erneut nicht reagierte, hat das Arbeitsgericht dem von ihm als sofortige Beschwerde ausgelegten Rechtsbehelf nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der als sofortige Beschwerde auszulegende Schriftsatz der Klägerin vom 16.02.2010 ist nach § 78 ArbGG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft; die sofortige Beschwerde ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache auch zumindest vorübergehend Erfolg.

Da das Arbeitsgericht von der Beschwerdeführerin im Abhilfeverfahren eine zu weitreichende, über die nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO der Beschwerdeführerin vorgegebene gesetzliche Verpflichtung hinausgehende Erklärung gefordert hat, war der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

Das Gericht kann gegenüber einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4 S. 1 ZPO). In diesem Zusammenhang hat sich nach dem Wortlaut von § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO die Partei auf Verlangen des Gerichts nur darüber zu erklären, ob eine „Änderung der Verhältnisse eingetreten ist”. Eine weitergehende Erklärungspflicht der Partei ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Zur Abgabe einer erneuten vollständigen Erklärung über die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhä...

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