Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Gegenstandswertfestsetzung. Hilfswert. Mitbestimmung. Versetzung. Wertfestsetzung. Zustimmungsersetzung. Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer Versetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewertung eines Antrags auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Mitarbeiters erfolgt nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 RVG. Es handelt sich bei derlei Anträgen um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten, für deren Bewertung mangels individueller Anhaltspunkte auf den Hilfswert von 4.000,– Euro zurückzugreifen ist.
2. Der Hilfswert von 4.000,– Euro ist jedoch nicht statisch, sondern gem. § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 RVG je nach Lage des Falls niedriger oder höher anzusetzen. Das Gericht hat somit auch bei Rückgriff auf den Hilfswert eine Einzelfallbewertung vorzunehmen und den Betrag von 4.000,– Euro ggf. entsprechend zu verringern oder zu erhöhen.
3. Hat eine Versetzung für den zu versetzenden Mitarbeiter hinsichtlich Arbeitsort und -tätigkeit nur geringe Auswirkungen, erscheint im Einzelfall ein Abschlag vom Hilfswert auf 1.500,– Euro als angemessen.
Normenkette
BetrVG § 99; RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Beschluss vom 21.09.2011; Aktenzeichen 3 BV 14/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 21.09.2011 – 3 BV 14/11 – dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats und der Arbeitgeberin auf 1.500,00 Euro festgesetzt wird.
Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Tatbestand
I. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt die Arbeitgeberin die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit einem Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG.
Die Arbeitgeberin beantragte im vorliegenden – wie in vier weiteren separaten gleichgelagerten – Beschlussverfahren die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung einer Mitarbeiterin. Diese ist bei der Arbeitgeberin bisher als Kassiererin zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.134,96 Euro beschäftigt und sollte zukünftig – auf ihre Bewerbung hin – im erweiterten Kassenbereich eingesetzt werden.
Die Beteiligten haben alle Verfahren durch Abschluss eines inhaltlich gleichen Vergleichs beendet.
Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats und der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 21.09.2011 auf 4.000,– Euro festgesetzt. Bei der Bewertung hat das Arbeitsgericht auf den in § 23 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 RVG genannten Wert von 4.000,00 EUR zurückgegriffen mit der Begründung, es handele sich bei dem Streit nach § 99 Abs. 4 BetrVG um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.
Mit am 30.09.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Arbeitgeberin über ihren Verfahrensbevollmächtigten gegen diesen ihr am 22.09.2011 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, im Verfahren sei es um eine vermögensrechtliche Streitigkeit gegangen, die wegen der präjudiziellen Bedeutung unter Anwendung von § 42 Abs. 3 S. 2 GKG mit einem Bruttomonatsgehalt des zu versetzenden Mitarbeiters, im vorliegenden Fall also mit 2.134,96 Euro zu bewerten sei. Selbst wenn man hingegen den Wert aus § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ansetze, sei im vorliegenden Fall ein Abschlag auf 2.000 Euro für das Verfahren und 1.000 Euro für den Vergleich vorzunehmen, da die gleich gelagerten Fälle in einem Pilotverfahren erledigt worden seien. Zudem hätten die in allen Verfahren streitgegenständlichen Versetzungen auf einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung beruht.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,– EUR.
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Die Bewertung des Antrags richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet hier schon deswegen keine Anwendung, weil im Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 2 a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden. Auch die in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG genannten Gebührentatbestände finden im Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.07.2007 – 1 Ta 173/07; Beschl. v. 21.07.2008 – 1 Ta 116/08). Der Gegenstandswert steht auch nicht nach anderen Regelungen fest.
Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen; mangelt es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des konkreten Werts, ist der Gegenstandswert mit dem in § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG genannten Hilfswert (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 01.03.2010 – 1 Ta 24/10) von 4.000,0...