Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. sic-non-Fall. Rechtsweg und sic-non-Fall. Vorstandsverhältnis und parallel bestehendes Arbeitsverhältnis. Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Macht ein ehemaliger Vorstand gegen den Betriebsübernehmer Ansprüche aus einem vermeintlich nach § 613a BGB übergegangenen Arbeitsverhältnis geltend, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (sog. sic-non-Fall).
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, § 5 Abs. 3 S. 1; GVG § 17a Abs. 4; BGB § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 26.09.2006; Aktenzeichen 3 Ca 1565/06) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagen gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.09.2006, Az.: 3 Ca 1565/2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger war bei der Fa. X. AG als kaufmännischer Leiter auf der Grundlage der befristeten schriftlichen Arbeitsverträge vom 30.08.2004 (Bl. 8 ff d.A.) und 30.04.2005 (Bl. 10 d.A.) beschäftigt.
Am 17.08.2005 sollte der bisherige Vorstand der Fa. X. AG Herr W. durch den Aufsichtsrat abberufen und der Kläger als weiterer Vorstand bestellt werden. Da nur fünf von insgesamt sechs Aufsichtsratsmitgliedern bei der Beschlussfassung anwesend waren, kam der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss nicht satzungsgemäß zustande. Das sechste, nicht anwesende Aufsichtsratsmitglied teilte am 25.08.2005 seine Zustimmung, unter Verzicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist, mit. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch alle sechs Aufsichtsratsmitglieder bereits von ihrem Amt zurückgetreten, zumal sie es mit einem an den Vorstand gerichteten Schreiben nieder gelegt hatten.
In verschiedenen Schreiben der Fa. X. AG, z.B. jenen vom 31.07.2005 und 18.08.2005 (vgl. Bl. 83 ff d.A.) hatte der Kläger als „Vorstand” unterzeichnet.
Ab dem 15.08.2005 beschäftigte die Fa. X. AG keine Arbeitnehmer mehr. Von den ursprünglich 25 beschäftigten Mitarbeitern wurden 24 – also alle außer dem Kläger – von der Beklagten übernommen; rückständige Löhne und Gehälter aus der Zeit ihrer Beschäftigung bei der Fa. X. AG wurden nachgezahlt.
Mit Beschluss vom 16.09.2005 hat das Amtsgericht Koblenz die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fa. X. AG angeordnet.
Am 08.11.2005 ist der Kläger als Vorstand der Fa. X. AG in das Handelsregister eingetragen worden (vgl. Bl. 82 d.A.)
Die Beklage änderte sodann ihre Firma in „V. KG” und verlegte ihren Sitz nach X. (Amtsgerichtsbezirk W.); diese Veränderungen sind am 14.03.2006 in das Handelsregister eingetragen worden.
Der Kläger macht mit seiner am 12.07.2006 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage die Zahlung des in den Arbeitsverträgen vereinbarten Gehaltes für die Zeit vom September 2004 bis einschließlich November 2005 geltend. Zur Begründung seines Klageanspruches hat er unter anderem ausgeführt, der Betrieb der Fa. X. AG sei auf die Beklagte übergegangen, so dass sich die Zahlungspflicht aus §§ 613 a, 611 BGB ergebe.
Nachdem die Beklagte die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes gerügt hatte, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 26.09.2006 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist. Das Arbeitsgericht hat diese Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass nach §§ 2 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst.) a und § 2 Abs. 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei. Für den Anspruchszeitraum vom 30.08.2004 bis 30.04.2005 folge dies bereits daraus, dass der Kläger während dieser Zeit ausschließlich als kaufmännischer Leiter und damit als Arbeitnehmer bei der Fa. X. AG beschäftigt gewesen sei. Hinsichtlich des Zeitraumes von Juni 2005 bis einschließlich November 2005 stünden die Lohnansprüche des Klägers in einem unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Lohnansprüchen des vorausgegangenen Zeitraumes, sodass eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Ziff. II des Beschlusses vom 26.09.2006 (Bl. 71 f d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte, der diese Entscheidung am 13.10.2006 zugestellt worden ist, hat am 26.10.2006 sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Beklagte macht geltend,
das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger auf Briefformularen der Fa. X. AG als Vorstand ausgewiesen worden sei und auch mehrere Schreiben vom 31.07.2005 und 18.08.2005 als Vorstandsmitglied unterzeichnet habe.
Darüber hinaus bestünden Bedenken, ob ein örtlich unzuständiges Gericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten per Beschluss eröffnen könne. Die Beklagte habe nämlich nicht nur ihre Firma geändert, sondern auch ihren Sitz nach X. verlegt, sodass die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Koblenz nicht mehr gegeben sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.10.2006 (Bl. 79 ff d.A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Beschwerde nicht abgeholfe...