Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung von Prozesskostenhilfe. Verbraucherinsolvenz. Restschuldbefreiung. Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung. Restschuldbefreiung nach Verbraucherinsolvenz

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird nach erfolgreichem Ablauf des Verfahrens die Antragstellerin gemäß § 286 InsO von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit, gilt diese Befreiung gemäß § 301 Abs. 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, auch gegen diejenigen, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, also auch gegen die Staatskasse für die hier betroffenen Forderungen.

 

Normenkette

InsO §§ 174, 286, 294-295, 38; ZPO § 124 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 06.03.2012; Aktenzeichen 4 Ca 2406/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.03.2012, Az.: 4 Ca 2406/10, nebst Nichtabhilfebeschluss vom 09.05.2012 aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin am 14.01.2011 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zur Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens bewilligt. Die Landeskasse zahlte ihrem Rechtsanwalt gemäß § 55 RVG eine Vergütung in Höhe von € 871,68. Die Klägerin sollte ab 01.02.2011 monatliche Raten in Höhe von € 15,00 leisten. Sie zahlte bis September 2011 acht Raten in einer Gesamthöhe von € 120,00.

Weil sie trotz mehrmaliger Zahlungsaufforderung ab Oktober 2011 keine Rate mehr zahlte, hob der Rechtspfleger mit Beschluss vom 06.03.2012 die Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 4 ZPO auf. Mit Schriftsatz vom 13.03.2012 legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein und teilte mit, dass das Amtsgericht D-Stadt mit Beschluss vom 24.08.2011 (Az.: 1 IK 35/11) das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet hat. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.05.2012 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung die Wirkungen des (Verbraucher-) Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Restschuldbefreiung außer Acht gelassen.

Die hier betroffenen Ansprüche der Staatskasse auf monatliche Ratenzahlung in Höhe von € 15,00 ab dem 01.02.2011 haben bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.08.2011 gegen die Klägerin bestanden, so dass die Staatskasse gemäß § 38 InsO Insolvenzgläubigerin geworden ist und ihre Forderungen gemäß § 87 InsO nur noch nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgen kann, sie also gemäß § 174 InsO bei dem Treuhänder (Rechtsanwalt Z. Y., D-Stadt) hätte anmelden müssen.

Seitdem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Restschuldbefreiungsverfahren gemäß §§ 286 ff. InsO läuft (AG D-Stadt Beschluss vom 26.01.2012 - 1 IK 35/11), ist der Klägerin gemäß §§ 294 Abs. 2, 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO verwehrt, Zahlungen zur Befriedigung an einzelne Insolvenzgläubiger zu leisten. Gemäß § 294 Abs. 1 InsO ist auch jede Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger unzulässig. Wird nach erfolgreichem Ablauf des Verfahrens die Antragstellerin gemäß § 286 InsO von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit, gilt diese Befreiung gemäß § 301 Abs. 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, auch gegen diejenigen, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, also auch gegen die Staatskasse für die hier betroffenen Forderungen. Eine der Voraussetzungen für die Restschuldbefreiung ist, dass die Schuldnerin ihre pfändbaren Bezüge aus einem Dienstverhältnis an einen Treuhänder für die Zeit von sechs Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens abtritt, § 287 Abs. 2 InsO. Nach Verstreichen dieser Laufzeit ist über die Restschuldbefreiung zu entscheiden, § 300 Abs. 1 InsO.

Zurzeit verfügt die Klägerin wegen der Abtretung ihrer pfändbaren Bezüge also nicht über ein Einkommen, das die Anordnung von Ratenzahlungen zulässt. Nach Ablauf der Abtretungszeit (sechs Jahre seit dem 24.08.2011) wird die Restschuldbefreiung wirksam. Zu diesem Zeitpunkt ist gemäß § 120 Abs. 4 Satz 3 eine Anordnung von Ratenzahlungen ausgeschlossen.

III. Durch die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse des Arbeitsgerichts wird die Prozesskostenhilfebewilligung vom 14.01.2011 wiederhergestellt. Der Ratenzahlungsverpflichtung muss die Klägerin jedoch nicht nachkommen. Ihr ist es verwehrt, Zahlungen zur Befriedigung an einzelne Insolvenzgläubiger zu leisten.

Da die Beschwerde erfolgreich war, fallen Kosten nicht an. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§127 Abs. 4 ZPO). Die Rechtsbeschwerde (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht zuzulassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3253096

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