Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Betriebsratswahl bei Unterzeichnung eines abgeänderten Wahlvorschlags der Gewerkschaft durch nur einen Beauftragten

 

Leitsatz (amtlich)

1) Es spricht viel dafür, dass ein Wahlvorschlag unwirksam ist, wenn nach Anbringung von Stützunterschriften weitere Kandidaten auf die Liste gesetzt werden, anschließend weitere Stützunterschriften gesammelt werden, die für sich genommen das gesetzlich notwendige Quorum (§ 14 Abs. 4 BetrVG) erfüllen, und die nachträgliche Ergänzung der Kandidatenliste nicht kenntlich gemacht wurde (wie BAG 18.07.2012 - 7 ABR 21/11).

2) Der Wahlvorschlag einer Gewerkschaft (§ 14 Abs. 5 BetrVG) ist unwirksam, wenn inhaltliche Änderungen durch einen Beauftragten allein erfolgen. Ein Beauftragter kann den anderen Beauftragten nicht bevollmächtigen, ihn bei Änderungen des von ihm bereits unterzeichneten Wahlvorschlags zu vertreten.

 

Normenkette

BetrVG §§ 14, 19; BetrVG DV 1 WO § 27 Abs. 2; BetrVG § 14 Abs. 5, § 19 Abs. 7; WahlO BetrVG § 27 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 11.02.2015; Aktenzeichen 4 BV 14/14)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 4. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 11. Februar 2015, Az. 4 BV 14/14, teilweise abgeändert:

    Die am 11. März 2014 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die vier Antragsteller (Beteiligte zu 1. bis 4.) sind wahlberechtigte Arbeitnehmer der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 6.), die in ihrem Werk in Trier ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Beteiligter zu 5. ist der neu gewählte 15-köpfige Betriebsrat. Der für die Betriebsratswahl gebildete Wahlvorstand leitete die Wahl mit einem Wahlausschreiben vom 21.01.2014 ein. Darin wurde die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlagslisten auf den 04.02.2014, 16:00 Uhr, festgesetzt. Die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften iSd. § 14 Abs. 4 BetrVG wurde mit 50 angegeben. Innerhalb der Frist gingen zwei Vorschlagslisten ein.

Am 04.02.2014, um 15:40 Uhr, reichte Gewerkschaftssekretär S als Beauftragter der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eine Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Persönlichkeitswahl" ein. Die Vorschlagsliste war von S und Gewerkschaftssekretär F unterzeichnet worden. Bereits mit Datum vom 15.01.2014 hatte der Hauptvorstand den beiden Gewerkschaftssekretären S und F aus der Region Trier schriftlich Vollmacht erteilt, im Namen der Gewerkschaft alle im Zusammenhang mit der Einleitung und Durchführung der Betriebsratswahl bei der Beteiligten zu 6. notwendigen Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben. Diese Vollmacht umfasste insbesondere die Einreichung von Wahlvorschlägen. Am 21.01.2014 erteilte Gewerkschaftssekretär F Gewerkschaftssekretär S die schriftliche Vollmacht, ihn bei Änderungen und Entscheidungen bezüglich der Wahlvorschlagsliste der NGG sowie bezüglich Erklärungen gegenüber dem Wahlvorstand zu vertreten und in seinem Namen zu handeln.

Auf der Vorschlagsliste der Gewerkschaft kandidierten insgesamt 29 Bewerber. Unter den fortlaufenden Nummern 1 bis 24 waren die Familien- und Vornamen von Arbeitnehmern maschinenschriftlich in die entsprechenden Spalten (vor)eingetragen worden. Die Eintragungen in die weiteren Spalten (Geschlecht, Geburtsdatum, Art der Beschäftigung im Betrieb und Zustimmung zur Bewerbung) waren handschriftlich zu ergänzen bzw. von den Bewerbern persönlich zu unterschreiben. Die unter den laufenden Nummern 17 bis 20 bereits eingetragenen vier Arbeitnehmer wollten nicht auf dieser Vorschlagsliste kandidieren. Nachdem die Gewerkschaftssekretäre S und F ihre Unterschriften bereits geleistet hatten, strich S die unter den Nummern 17 bis 20 eingetragenen Namen ohne Rücksprache mit F durch, zog die darauf folgenden Listenplätze entsprechend vor und reichte die Liste beim Wahlvorstand ein.

Ebenfalls am 04.02.2014, um 14:30 Uhr, reichte der Beteiligte zu 1) als Listenvertreter einen Wahlvorschlag mit dem Kennwort: "Alpha-Liste" ein. Es kandidierten neun Arbeitnehmer. Für die "Alpha-Liste" wurden insgesamt 136 Stützunterschriften gesammelt.

In seiner Sitzung vom 05.02.2014 prüfte der Wahlvorstand beide Listen. Die Vorschlagsliste "Persönlichkeitswahl" erachtete er für gültig. Bei der Prüfung der "Alpha-Liste" fiel dem Wahlvorstand auf, dass die beiden Arbeitnehmer M und G ihre Stützunterschriften (erst) unter den fortlaufenden Nummern 62 und 69 geleistet haben, während sie als Bewerber auf der Vorschlagsliste unter den laufenden Nummern 8 und 9 eingetragen sind. Der Wahlvorstand stellte nach Befragung der Bewerber M und G fest, dass Stützunterschriften für zunächst nur sieben Bewerber gesammelt und die Vorschlagsliste nach 61 geleisteten Stützunterschriften zum ersten Mal und nach 68 geleisteten Unterschriften zum zweiten Mal erweitert worden ist. Der Wahlvorstand fasste am 06.02.2014 den Beschluss, die "Alpha-Liste" als ungültig an...

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