Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiges Kennwort auf der Wahlvorschlagsliste als Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften. Unterzeichnung des gewerkschaftlichen Wahlvorschlags. Keine gewillkürte Stellvertretung bei der Unterzeichnung eines Wahlvorschlags
Leitsatz (redaktionell)
Die Grundsätze des BGB über die Vollmachterteilung - gewillkürte Stellvertretung - sind auf die Wahlvorschriften zur Betriebsratswahl nicht anwendbar. Jeder Wahlvorschlag muss von der geforderten Zahl wahlberechtigter Arbeitnehmer persönlich unterschrieben sein. Stellvertretung scheidet deshalb aus. Da § 27 Abs. 1 WO die entsprechende Geltung dieser Regeln für den Wahlvorschlag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft anordnet, ist auch für den gewerkschaftlichen Wahlvorschlag eine Stellvertretung ausgeschlossen.
Normenkette
BetrVG § 14 Abs. 3-5, § 19; WO § 6 Abs. 5, § 8 Abs. 1, § 27 Abs. 1-2; BGB § 167; Satzung der Gewerkschaft ver.di §§ 10, 23
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 14.07.2020; Aktenzeichen 26 BV 436/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 14.07.2020 - 26 BV 436/19 - abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Betriebsratswahl vom 25. - 29.11.2019 wird für unwirksam erklärt.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Im Betrieb der zu 1) beteiligten Arbeitgeberin, die verschiedene Pflegeeinrichtungen betreut, fand vom 25. - 29.11.2019 eine Betriebsratswahl statt, aus der der zu 2) beteiligte Betriebsrat hervorging.
Für die Wahl waren drei Wahlvorschläge beim Wahlvorstand eingereicht worden, die dieser am 24.10.2019 veröffentlichte. Der Wahlvorschlag der Liste 2 war von Frau Z und Herr Y unterzeichnet worden. Hierzu legte der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 19.06.2020 eine "Vollmacht nach BetrVG" des Gewerkschaftssekretärs, Bezirk D-Stadt und Region, Herrn E., vom 14.10.2019 vor. Danach war Frau Z und Herrn Y die Vollmacht erteilt worden, als Beauftragte bzw. Beauftragter der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft einen Wahlvorschlag zur Wahl eines Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu unterzeichnen und einzureichen sowie Erklärungen des Wahlvorstandes entgegenzunehmen und gegenüber dem Wahlvorstand Erklärungen abzugeben (vgl. Anl. Agg 3 = Bl. 235 d. A.). Der Wahlvorschlag der Liste 2 hatte das Kennwort "Wir bestimmen den Weg weiter mit - für die ver.diente Wertschätzung im W!".
Mit Schreiben vom 25.10.2019 wies der Kandidat und Listenvertreter der Liste 3 darauf hin, dass das verwendete Kennwort der Liste 2 unzulässig sei. Werde im Kennwort eine Gewerkschaftsbezeichnung verwendet, ohne dass der Wahlvorschlag von zwei Beauftragten der betreffenden Gewerkschaft - vorliegend ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - unterzeichnet sei, habe der Wahlvorstand dieses Kennwort zu streichen und stattdessen die Namen und Vornamen der beiden Erstgenannten auf der Liste zu ersetzen. Die Punktsetzung im verwendeten Wort "verdiente" vermittle gegenüber dem Wähler den Eindruck, dass dieser Wahlvorschlag durch die ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft unterstützt würde, obwohl er nicht von zwei Gewerkschaftsbeauftragten unterzeichnet worden sei.
Der Wahlvorstand wertete alle drei Vorschlagslisten als gültig und ließ sie zur Wahl zu. Das Kennwort der Liste 2 wurde beibehalten und die Stimmzettel entsprechend ausgestaltet. Am 29.11.2019 wurde das Ergebnis der vom 25. - 29.11.2019 abgehaltenen Betriebsratswahl bekannt gemacht. Auf die Liste 2 entfielen 5 Betriebsratssitze, auf die Liste 1 ein Betriebsratssitz und auf die Liste 3 drei Betriebsratssitze.
Mit dem am 12.12.2019 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl begehrt und hilfsweise die Betriebsratswahl angefochten. Sie hat u. a. die Auffassung vertreten, die Liste 2 sei mit einem unzulässigen Kennwort versehen worden und hätte nicht zur Wahl zugelassen werden dürfen. Es sei der falsche Eindruck erweckt worden, es handele sich um einen Wahlvorschlag der Gewerkschaft ver.di. Dies sei nicht der Fall. Der Vorschlag der Liste 2 sei nicht von zwei Beauftragten der Gewerkschaft ver.di - Verdiente Dienstleistungsgewerkschaft unterzeichnet worden. Die Unterzeichner seien nicht zur Abgabe der Erklärung berechtigt gewesen. Nach Maßgabe des § 10 i.V.m. § 23 der Satzung der Gewerkschaft ver.di - Verdiente Dienstleistungsgewerkschaft seien Gewerkschaftsmitglieder nicht berechtigt, verbindliche Erklärungen für die Gewerkschaft abzugeben, sondern ausschließlich der jeweils zuständige örtliche oder bezirkliche Vorstand.
Der Betriebsrat hat zur Begründung seines erstinstanzlichen Zurückweisungsantrags die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Wahlvorschlag der Liste 2 um einen gewerkschaftlichen Wahlvorschlag im Sinne des § 14 Abs. 5 BetrVG handele, der von zwei Beauftragten der Gewerkschaft ver.di - Verdiente Dienstleistungsgewerkschaft durch ihre Un...