Entscheidungsstichwort (Thema)
Merchandiserin. sic-non-Fall. Rechtsweg
Leitsatz (redaktionell)
Handelt es sich bei den Tatsachen, die im Zusammenhang mit der Frage der Arbeitnehmereigenschaft der klagenden Partei entscheidungserheblich sind, um sog. doppel-relevante Tatsachen, so reicht ausnahmsweise die entsprechende Rechtsbehauptung der klagenden Partei, Arbeitnehmer der Beklagten zu sein, aus, um den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu begründen. Jedenfalls bezüglich eines Beschäftigungsantrags handelt es sich um einen sog. sic-non-Fall, denn ein derartiger Beschäftigungsanspruch ist – soweit ersichtlich – nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses anerkannt.
Normenkette
ArbGG § 2; GVG § 17a
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 16.08.2010; Aktenzeichen 3 Ca 751/10) |
ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 12.08.2010; Aktenzeichen 3 Ca 751/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12.08.2010/16.08.2010 – 3 Ca 751/10 – aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die Klage insgesamt ist eröffnet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 180,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Beklagte ist Herstellerin von Modeschmuck und Accessoires. Neben firmeneigenen Läden „Stores”) unterhält die Beklagte Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen (wie z.B. Flughafen-Shops und Parfümerien). Zu den Kunden der Beklagten gehören insbesondere auch die Fa. Gebrüder H. KG sowie die Parfümerie-Kette D..
Aufgrund eines mündlichen Vertrages setzt die Beklagte die Klägerin im Rahmen der Verkaufs- bzw. Absatzförderung „Merchandising”) ein. Nach näherer Maßgabe des jeweiligen Parteivorbringens hat die Klägerin Filialen von Kunden der Beklagten zu besuchen bzw. zu betreuen. Die Überprüfung erstreckt sich insbesondere auf die Aufmachung (Ausstattung) des jeweiligen Ladens und die Ausstellung (Schaustellung) der Gegenstände. Außerdem hat die Klägerin Besuchsberichte zu erstellen (s. dazu die Schriftstücke „Einsatzberichte der/des Aushilfsbeschäftigten”, Bl. 7 d.A.; „Abrechnung Mai 2010”, Bl. 8 d.A.; „Besuchsberichte Vertreter/Marchandiser” v. 20.05.2010, Bl. 9 d.A.). Für jeden Besuch eines Kunden der Beklagten erhält die Klägerin pro Filiale 40,00 EUR (bzw. 60,00 EUR). Außerdem erstattet die Beklagte der Klägerin die bei dieser besuchsbedingt anfallenden Kosten (wie Park- und Versandkosten sowie Kilometergeld). Die Beklagte erteilt der Klägerin „Abrechnungen der Brutto/Netto-Bezüge”, so wie sich dies z.B. für Mai 2010 und Juni 2010 aus den Abrechnungen vom 02.06.2010 und vom 05.07.2010 ergibt (Bl. 49 f. d.A.; als „Krankenkasse” wird dort jeweils angegeben: „Mini-Job-Zentrale”; abgerechnet wird jeweils ein „Aushilfslohn” i.H.v. 200,00 EUR bzw. 160,00 EUR brutto).
In den Monaten März 2010, April 2010 und Mai 2010 hat die Beklagte der Klägerin keine Besuche in der im Flughafen Hahn gelegenen Filiale der Gebrüder H. KG zugewiesen (vgl. dazu das Schreiben der Beklagten vom 12.05.2010, Bl. 21 d.A.). Die Klägerin beansprucht für diese Monate jeweils 120,00 EUR an Vergütung (= 3 × 120,00 = 360,00 EUR).
Die Klägerin macht geltend,
dass sich durch ihren jahrelangen Einsatz bezüglich der Filialen der Gebrüder H. KG ihr Arbeitsplatz und damit die arbeitsvertragliche Vergütung dahingehend entsprechend konkretisiert habe (vgl. dazu im Einzelnen insbesondere die S. 3 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 29.07.2010 = Bl. 67 f. d.A.).
Im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren – 3 Ca 751/10 – (bzw. – 3 Ca 1241/10 –) klagt die Klägerin mit folgenden Anträgen:
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 360,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin am Flughafen Frankfurt/Hahn in dem Terminal 1 und 2 an den Filialen der Gebrüder H. KG zum Bereich Merchandising zu beschäftigten.
hilfsweise,
– für den Fall der Unbegründetheit des Klageantrages zu 2 – die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Filialen der Gebrüder H. KG im Rahmen des Merchandisings mindestens einmal im Monat zuzuweisen.
weiter hilfsweise beantragt die Klägerin,
den Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht zu verweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
sie schließt sich dem Hilfsantrag bezüglich der Verweisung an das zuständige Amtsgericht an.
Im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Rechtsverteidigung hat die Beklagte u.a. vorgebracht, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis auf Abruf oder ein Arbeitsverhältnis nach Bedarf abgeschlossen worden sei.
Im Anschluss an die Kammerverhandlung vom 12.08.2010 – 3 Ca 751/10 – (= Sitzungsniederschrift S. 4 = Bl. 80 d.A.) hat der Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts folgenden Beschluss verkündet:
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern erklärt sich für unzuständig.
Der Rechtsstreit wird an das zuständige Amtsgericht Freising verwiesen.
Der vollständig abgesetzte Beschluss des Arbeitsgerichts – 3 C...