Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Prozesskostenhilfe bei zumutbarer Inanspruchnahme gewerkschaftlichen Rechtsschutzes. unbegründeter Prozesskostenhilfeantrag bei unsubstantiierten Darlegungen zum Vertrauensverlust und zur Begründung des Gewerkschaftsaustritts
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist; der Anspruch einer Arbeitnehmerin auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz für ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist ein vermögenswertes Recht im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
2. Ist eine Arbeitnehmerin als Partei zwar selbst bedürftig, hat sie jedoch die als Vermögen zu betrachtende Möglichkeit, zur Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Prozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, ist sie in der Lage, die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln zu bestreiten, solange die Gewerkschaft Rechtsschutz nicht abgelehnt hat oder es als sicher erscheint, dass dies geschehen wird; etwas anderes gilt nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur dann, wenn im Einzelfall der Vermögenseinsatz unzumutbar ist.
3. Gewerkschaftlicher Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist dann nicht zumutbar, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen der Gewerkschaft und ihrem Mitglied erheblich gestört ist; zur Begründung ihres Prozesskostenhilfeantrags hat die Partei die Gründe, die für die Unzumutbarkeit sprechen, im Einzelnen darzulegen.
5. Die bloße Behauptung der Partei, dass sie dem erstinstanzlichen Prozessvertreter der Gewerkschaft nicht mehr trauen kann, genügt zur Darlegung eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses nicht; Fehler, die ein Mitarbeiter der Einzelgewerkschaft macht, begründen keinen generellen Vertrauensverlust gegenüber allen gewerkschaftlichen Beschäftigten, da es in diesen Fällen der Partei obliegt, bei der Gewerkschaft um die Vertretung durch einen anderen Gewerkschaftssekretär nachzusuchen, sofern sie mit dem bisherigen Vertreter nicht zufrieden ist.
6. Gibt eine Partei eine wirksame Rechtsschutzmöglichkeit grundlos auf, um anschließend staatlich finanzierten Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, verhält sie sich rechtsmissbräuchlich; dieses Verhalten ist in seinen wesentlichen Grundzügen mit dem Verschenken von Vermögenspositionen gleichzusetzen, um anschließend Sozialhilfe zu beantragen.
7. Die Anforderungen an einen sachlichen Grund für die Aufgabe gewerkschaftlichen Rechtsschutzes dürfen nicht überspannt werden, da jede Prozesspartei auch in diesem Zusammenhang das Grundrecht der (negativen) Vereinigungsfreiheit (Art.9 Abs.3 GG) in Anspruch nehmen kann; eine Verletzung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG, die das Recht zum Austritt aus einer Koalition umfasst, liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn eine Partei nach Rechtsmitteleinlegung mit Hilfe der Rechtssekretäre einer Gewerkschaft von ihrem Recht zum Austritt aus der Gewerkschaft Gebrauch macht und den damit verbundenen Verlust ihrer bisherigen Vertretung in Kauf nimmt, ohne dass nachvollziehbare und sachliche Gründe für ihren Gewerkschaftsaustritt gerade zu diesem Zeitpunkt vorgetragen werden und vorliegen.
8. Beruft sich eine Prozesspartei zur Begründung des Gewerkschaftsaustrittes und des damit verbundenen Verlustes gewerkschaftlichen Rechtsschutzes darauf, dass ihr die weitere Inanspruchnahme dieser Möglichkeit wegen des Verhaltens von Mitarbeitern der Gewerkschaft unzumutbar ist, liegt hierin ein sachlicher Grund nur dann, wenn eine entsprechende Unzumutbarkeit tatsächlich feststellbar ist.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; ZPO § 115 Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für die Durchführung eines Berufungsverfahrens im Kündigungsschutzprozess.
Die seit August 1992 bei der Beklagten zuletzt zu einer Bruttovergütung von 1.915,93 Euro beschäftigte, 1972 geborene Klägerin hat am 19. April 2012, vertreten durch die D R GmbH, beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein Klage gegen eine von der Beklagten unter dem 11. April 2012 zum 30. November 2012 erklärte krankheitsbedingte Kündigung eingereicht. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klägerin Mitglied der Gewerkschaft v. Im Kammertermin vom 23. August 2012 wurde nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage ein für die Beklagte widerruflicher Vergleich geschlossen, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung zum 30. November 2012 bei Freistellung der Klägerin unter Anrechnung etwaiger Resturlaubs- und etwaiger weiterer Freizeitausgleichsansprüche, sowie die Zahlung einer Abfindung an die Klägerin in Höhe von 25.000,00 Euro brutto vorsah. Nach Widerruf des Vergleichs durch die Beklagte hat das Arbeitsgericht die Klage mit am 27. September 2012 verkündetem Urteil abgewiesen.
Mit S...