Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr. Mehrvergleich. Verfahren, anhängiges. Einigungsgebühr für Mehrvergleich

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein „anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren” ist anhängig, wenn gem. Nr. 1003 VV-RVG S. 2 ein bei Gericht eingeleitetes Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird, anhängig ist.

 

Normenkette

RVG §§ 19, 15 Abs. 3; RVG VV Anl. 1 zu § 2 Abs. 2; RVG VV Nrn. 1003, 1000

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 07.10.2010; Aktenzeichen 5 Ca 576/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 07. Oktober 2010 – 5 Ca 576/10 – abgeändert:

Die dem Kläger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 1.074,81 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Die Vertreterin der Staatskasse wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen eine vom Arbeitsgericht festgesetzte Prozesskostenhilfvergütung für den dem Kläger im Verfahren 5 Ca 576/10 beigeordneten Rechtsanwalt.

Mit Klage und zugleich verbundenem Prozesskostenhilfeantrag vom 29. März 2010 beantragte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 3.350,– EUR brutto aus einer „Abfindungsregelung zur Kündigung” (Bl. 3 d. A.) zu zahlen.

In der Sitzungsniederschrift des Gütetermins vom 29. April 2010 vor dem Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – sind folgende Feststellungen enthalten:

Die Beklagte wird aus der Kündigung vom 30.10.2009 keine Rechte herleiten.

Die Parteien sind darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 30.04.2010 hinaus fortgeführt wird.

Die Beklagte verpflichtet sich, vor Ablauf des 31.08.2010 keine erneute betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen.

Die Parteien sind darüber einig, dass die Beklagte aus der Abfindungsvereinbarung vom 30.10.2009 keine 10.000,00 EUR mehr schuldet.

Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde mit Beschluss vom 10. Mai 2010 für den Rechtsstreit auf 3.350,– EUR und für den Vergleich auf 10.000,– EUR festgesetzt.

Im Antrag auf Festsetzung von PKH-Vergütung vom 14. Mai 2010 begehrte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gemäß §§ 49, 15 Abs. 3 RVG aus einem Streitwert von 3.350,– EUR eine 1,0 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV, 49 RVG in Höhe von 195,– EUR und aus einem weiteren Gegenstandswert von 6.650,– EUR eine 1,5 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV in Höhe von 168,– EUR. Die Urkundsbeamtin nahm für die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung gemäß § 55 RVG eine Festsetzung auf 1.074,81 EUR vor, wobei statt der beantragten Gebühren nur eine 1,0 Einigungsgebühr aus 10.000,– EUR in Höhe von 242,– EUR angesetzt wurde.

Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers änderte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 07. Oktober 2010 die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin auf 1.218,80 EUR.

Zur Begründung wird auf den vorerwähnten Beschluss (Bl. 36 – 39 d. A.) Bezug genommen.

Gegen den am 15. Oktober 2010 bei der Vertreterin der Staatskasse eingegangenen Beschluss legte diese am 20. Oktober 2010 für die Landeskasse Beschwerde ein. Unter Bezugnahme einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 07. September 2010 – 5 Ta 132/10 und des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz Beschluss vom 04. Mai 2009 – 5 Ta 97/09 – wurde die Auffassung vertreten, dass für den Vergleich lediglich eine 1,0 Einigungsgebühr in Betracht käme.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10. November 2010 eine Abhilfe abgelehnt und das Verfahren der Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts vorgelegt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 22. November 2010 auf die eingelegte Beschwerde der Staatskasse Bezug und meint, dass der arbeitsgerichtliche Gebührenansatz zutreffend sei, weil die Prozessbeendigung ohne Mitwirkung des Gerichts erfolgt sei.

Zu den weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Vertreterin der Staatskasse vom 20. Oktober 2010 (Bl. 45 – 49 d. A.) und die Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 22. November 2010 (Bl. 56 – 57 d. A.) sowie alle weiteren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG. Sie konnte wegen der ausdrücklichen Zulassung des Erstgerichts auch ohne Erreichung des Beschwerdewertes eingelegt werden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG) und erfolgte auch innerhalb der Frist von zwei Wochen gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG.

Die Beschwerde ist auch sachlich begründet.

Der dem Kläger beigeordnete Rechtsanwalt hat für den Mehrvergleich mit einem Streitwert von 10.000,– EUR nur einen Vergütun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge