Entscheidungsstichwort (Thema)
Mobbing als Schulungsthema gem. § 37 Abs. 6 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Gem. § 37 Abs. 6 BetrVG ist Voraussetzung für die Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung, daß der Betriebsrat die zu vermittelnden Kenntnisse gegenwärtig benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können.
Ist der Themenplan einer Schulung unter dem Begriff „Mobbing” so weit gefaßt, daß er die Konturen eines Spezialthemas verliert und daß nicht die rechtlichen Probleme, sondern tatsächliche Abläufe deren Entstehung und deren Bewältigung behandelt werden, dann ist eine solche Schulung für den Betriebsrat sinnvoll wegen der von ihm anzustrebenden Schlichtungsfunktion.
Notwendig i. S. von § 37 Abs. 6 BetrVG kann die Schulung aber nur dann sein, wenn ein konkreter Anlaß in Form von „Mobbing” vorhanden oder sicher zu erwarten ist. Die speziellen mit der Umstellung von Arbeits- und Entlohnungssystemen verbundenen Probleme können ebenso spezielle Schulungen i.S.v. § 37 Abs. 6 BetrVG rechtfertigen, nicht aber eine Schulung, die sich wie „Mobbing” (laut Themenplan) auf die ganze Breite möglicher persönlicher Konflikte im Arbeitsleben bezieht.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 23.05.1995; Aktenzeichen 1 BV 10/95) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.05.1995 – 1 BV 10/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin macht den Ersatz von Schulungskosten für ein von ihr veranstaltetes Seminar mit dem Thema „Mobbing” geltend.
An diesem Seminar nahm der ehemalige Vorsitzende des Beteiligten zu 3) (Vorsitzender des Betriebsrats der Antragsgegnerin) teil. Die Antragsgegnerin beschäftigt in ihrem Werk in Bobenheim-Roxheim ca. 250 Arbeitnehmer. Der Betriebsrat besteht aus 7 Mitgliedern. Auf Beschluß vom 16.08.1994 des Betriebsrats nahm der damalige Betriebsratsvorsitzende Bernhardt an dem 2-tägigen Seminar teil. Die Seminarkosten beliefen sich einschließlich Übernachtung und Verpflegung auf 516,05 DM.
Die Antragsteller in hat die Auffassung vertreten, die Schulungsveranstaltung sei unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und im Betriebsrat erforderlich gewesen. Es habe konkrete Mobbing-Fälle in der Vergangenheit gegeben.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegner in zu verpflichten, an die Antragstellerin 516,05 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.03.1995 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, schon wegen fehlender Vorlage des Seminarplanes zum Zeitpunkt der Beschlußfassung des Betriebsrats und zum Zeitpunkt des Antrages auf die Freistellung zur Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an der Schulung, scheide eine Ersatzpflicht der Antragsgegnerin aus. Zudem sei das Thema Mobbing ein allgemein – soziologisches Thema ohne Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrates. Dieses folge auch aus dem nunmehr vorgelegten Themenplan.
Der Vorsitzende des Betriebsrates hat erklärt, der Leistungsdruck nehme zu und führe auch zu Problemen im zwischenmenschlichen Bereich. So schrien die Vorgesetzten ihre Mitarbeiter an. Die Vorgesetzten spielten auch die Mitarbeiter gegeneinander aus.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Beschluß vom 23.05.1995 – 1 BV 10/95 – den Antrag mangels Erforderlichkeit der Fortbildungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG zurückgewiesen.
Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 20.07.1995 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am 09.08.1995 die zugleich begründete Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin trägt vor, Mobbing bedeute, daß Arbeitnehmer von Kollegen oder Vorgesetzten durch vielfältige Maßnahmen, die vom schlichten Scherz über Drohungen, Intrigen oder Ignorieren bis hin zum Rufmord gehen könnten, systematisch schikaniert und unter Druck gesetzt würden. Im Rahmen seiner Überwachungsverpflichtungen aus § 75 BetrVG habe der Betriebsrat dafür Sorge zu tragen, daß der Arbeitnehmer vor Diskriminierung geschützt und seine freie Entfaltung garantiert werde. Eine Verletzung dieser Verpflichtung könne zu Schadensersatzverpflichtungen des einzelnen Betriebsratsmitglieds führen. Angesichts der konkreten Situation im Betriebe der Antragsgegnerin, die gekennzeichnet sei durch Personalabbau, Planung der Einführung von Gruppenarbeit, eines neuen Entlohnungssystems und von Leistungslohn, durch Probleme in der Produktionsplanung und Produktionssteuerung, durch schlechten Führungsstil von Vorgesetzten und durch Resignation der Beschäftigten sei von einem erhöhten Druck auf die Beschäftigten auszugehen. So könne es auch zu Mobbing kommen.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.05.1995 – 1 BV 10/95 – die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, an die Beschwerdeführerin 516,05 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 15. März 19...