Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung eines Haustarifvertrages. Antrag. Beschlussverfahren. Eingruppierung. Haustarifvertrag. gekündigter. Nachwirkung. Tarifvertrag. Teilkündigung. Zustimmung. versagte
Leitsatz (redaktionell)
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG bezieht sich nicht auf die bloße Höhe des vereinbarten Entgelts. Vielmehr ist die Eingruppierung die erstmalige Festsetzung der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Lohn- oder Gehaltsgruppe.
Normenkette
BetrVG §§ 101, 99 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 22.06.2004; Aktenzeichen 8 BV 29/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.06.2004 – 8 BV 29/04 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Eingruppierung von neu eingestellten Auszubildenden.
Die Arbeitgeberin hat mit der zuständigen Fachgewerkschaft am 21.03.1997 einen Haustarifvertrag abgeschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt und auch in der Folgezeit gehörte die Arbeitgeberin keinem Arbeitgeberverband an. Nach § 1 dieses Haustarifvertrages fanden durch Blankettverweisung insgesamt 16 verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung.
Die Arbeitgeberin hat diesen Haustarifvertrag mit Schreiben vom 10.03.2003 teilweise gekündigt, und zwar kündigte sie 4 verschiedene Tarifverträge, die nach § 1 des Haustarifvertrages für die Angestellten in Zeitungsverlagen in Rheinland-Pfalz und Saarland Anwendung fanden. Die restlichen Bestimmungen des Haustarifvertrages wurden vom Inhalt des Kündigungsschreibens (vgl. Bl. 25 d.A.) nicht tangiert. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die restlichen Tarifverträge nach wie vor bei der Arbeitgeberin Anwendung finden.
Die Arbeitgeberin beabsichtigte zum 01.08.2004 mehrere Auszubildende zum Verlagskaufmann/Verlagskauffrau einzustellen. Sie hat deshalb ihren Betriebsrat Ende Dezember 2003, Anfang Januar 2004 unter Hinweis auf § 99 BetrVG an der beabsichtigten Einstellung beteiligt (vgl. im Einzelnen Bl. 6-12 d.A.). Bei der vorgesehenen Ausbildungsvergütung hat die Arbeitgeberin jeweils angegeben: „frei vereinbart”. Der Betriebsrat hat der Einstellung zugestimmt, jedoch gleichzeitig der beabsichtigten Eingruppierung bzw. Entlohnung gemäß § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG widersprochen mit der Begründung, für die Auszubildenden zum Verlagskaufmann/Kauffrau seien die vereinbarten Ausbildungsvergütungen im Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in Zeitungsverlagen in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland maßgeblich. Die Beschäftigten seien nach diesem Tarifvertrag einzugruppieren. Die Teil-Kündigung des Haustarifvertrages durch die Arbeitgeberin sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtlich nicht zulässig gewesen.
Dieser Gehaltstarifvertrag vom 18.06.2002, auf dessen sonstigen Inhalt hiermit Bezug genommen wird (Bl. 123-127 d.A.), enthält in § 3 hinsichtlich der Ausbildungsvergütungen folgende Regelung:
„…
Ausbildungsvergütungen |
|
1. Jahr der Ausbildung |
735,53 |
2. Jahr der Ausbildung |
786,66 |
3. Jahr der Ausbildung |
837,79.” |
Die Arbeitgeberin hat dieser Rechtsauffassung des Betriebsrates widersprochen.
Darauf hin hat der Betriebsrat mit einer beim Arbeitsgericht Koblenz am 23.04.2004 eingereichten Antragsschrift die Auffassung vertreten, die Teil-Kündigung des Haustarifvertrages sei unwirksam und die Arbeitgeberin müsse daher die Auszubildenden entsprechend der Vergütungsordnung des Betriebes in den einschlägigen Gehaltstarifvertrag für Zeitungsverlage eingruppieren.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- der Arbeitgeberin aufzugeben, die ab dem 01.08.2004 einzustellenden Auszubildenden Verlagskaufmann/Verlagskauffrau I. K., K. Sch., A. C. S., S. W., F. N., N. B. und S. P. in die ab 01.10.2003 gültige Gehaltstabelle zum Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in Zeitungsverlagen in Rheinland-Pfalz und Saarland einzugruppieren.
- der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung nach Rechtskraft der Entscheidung zum Antrag zu Ziff. 1) ein Zwangsgeld anzudrohen, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber für jeden Tag und jeden Fall der Zuwiderhandlung einen Betrag von 100,00 EUR nicht unterschreiten sollte.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung sei die teilweise Kündigung des Haustarifvertrages rechtswirksam, weil bei der streitgegenständlichen Teil-Kündigung nicht die Gefahr bestehe, dass in ein komplexes Normengebilde, dessen einzelne Regelungen das Ergebnis eines ausgewogenen Kompromisses sind, eingegriffen werde. Sie habe den gesamten Kompromiss eines einzelnen Tarifvertrages nicht einseitig aufgebrochen, sondern lediglich alle Tarifverträge einer bestimmten Branche einheitlich gekündigt.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 22.06.2004, auf dessen Sachverhaltsdarstellung hiermit zur näheren Darlegung de...