Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bestellungsbefugnis des Arbeitsgerichts bei Amtsniederlegung aller Wahlvorstandsmitglieder zur Betriebsratswahl. Unbeachtlichkeit von Pflichtenverstößen des Wahlvorstands vor seiner kollektiven Amtsniederlegung
Leitsatz (amtlich)
Zuständigkeit zur Bestellung des Wahlvorstandes bei kollektiv gebündelter Amtsniederlegung der gewählten Mitglieder und Ersatzmitglieder
1. Legen sämtliche in einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 2 BetrVG gewählten Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wahlvorstandes ihr Amt nieder, besteht keine Bestellungsbefugnis des Arbeitsgerichts. § 17 Abs. 4 Satz 1 BetrVG findet keine entsprechende Anwendung. Die Bestellungsbefugnis liegt (erneut) bei einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 2 , Abs. 3 BetrVG.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Wahlvorstand vor den kollektiv gebündelten Amtsniederlegungen gegen die Pflichten nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verstoßen hat. Eine (entsprechende) Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 2 BetrVG scheidet aus.
Normenkette
BetrVG § 17 Abs. 2-3, § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 18.01.2018; Aktenzeichen 2 BV 58/17) |
Tenor
- Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 18.01.2018, Az.: 2 BV 58/17, wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über Fragen im Zusammenhang mit der Bestellung eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl im Betrieb der Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Arbeitgeberin). Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft. Sie begehrt auch im Beschwerdeverfahren die Ergänzung des ihrer Ansicht nach noch bestehenden Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Wahlvorstand) um weitere (Ersatz-) Mitglieder, hilfsweise die Amtsenthebung des Beteiligten zu 4 (im Folgenden: Vorsitzender des Wahlvorstandes) und gerichtliche Bestellung eines neuen Wahlvorstandes.
Im Betrieb der Arbeitgeberin sind ca. 120 Arbeitnehmer beschäftigt. Am 13.04.2017 fand auf Einladung der antragstellenden Gewerkschaft eine Betriebsversammlung statt, an der 61 Personen teilnahmen. Die Beschäftigten wählten einen Wahlvorstand bestehend aus dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes, Frau S. und Herrn R.. Zu Ersatzmitgliedern wurden Herr Q. und Herr P. gewählt.
Nach seiner Konstituierung am 21.04.2017 forderte Wahlvorstand die Arbeitgeberin auf, ihm die nötigen Unterlagen zur Erstellung einer Wählerliste zukommen zu lassen. Nachdem die Arbeitgeberin die ihr gesetzte Frist hatte verstreichen lassen, wurde der Wahlvorstand nicht weiter tätig. Mit Schreiben vom 12.06.2017 (Bl. 17 f. d.A.) mahnte die antragstellende Gewerkschaft den Wahlvorstand ab. In seiner Sitzung vom 05.07.2017 fasste dieser mit der Mehrheit seiner Mitglieder und Ersatzmitglieder den Beschluss, "die Wahl eines Betriebsrates nicht weiter voran zu treiben und seine Arbeit diesbezüglich einzustellen." Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wahlvorstandes unterzeichneten am gleichen Tag von der Arbeitgeberin vorgefertigte Schreiben an den Vorsitzenden des Wahlvorstandes, mit welchem sie jeweils ihr Amt als Mitglied bzw. Ersatzmitglied des Wahlvorstandes niederlegten. Der Vorsitzende des Wahlvorstandes unterzeichnete zeitgleich ein an die Mitglieder des Wahlvorstandes gerichtetes Schreiben, mit welchem er sein Amt als Vorsitzender des Wahlvorstandes niederlegte. Wegen der Einzelheiten der genannten Schreiben wird auf Bl. 64 ff. d.A. Bezug genommen.
Soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18.01.2018 - 2 BV 58/17 - die auf gerichtliche Ergänzung des nach Ansicht der Gewerkschaft in Person des (ehemaligen) Vorsitzenden des Wahlvorstandes fortbestehenden Wahlvorstandes um zwei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder gerichteten Anträge sowie die hilfsweise gestellten Anträge auf Amtsenthebung des (ehemaligen) Vorsitzenden des Wahlvorstandes und gerichtliche Neubestellung eines Wahlvorstandes zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt, eine Ergänzung des Wahlvorstandes käme nicht mehr in Betracht, weil sämtliche Mitglieder des Wahlvorstandes unter Einschluss des Vorsitzenden ihr Amt niedergelegt hätten, so dass ein ergänzungsfähiger Wahlvorstand nicht mehr bestanden habe. Bei der gebotenen Auslegung könne die Erklärung des Vorsitzenden des Wahlvorstands nicht dahingehend verstanden werden, dieser habe nur die Funktion als Vorsitzender niederlegen, als (einfaches) Mitglied aber im Wahlvorstand verbleiben wollen. Mangels Existenz eines Wahlvorstandes scheide auch eine gerichtliche Amtsenthebung aus. Ebenso sei der Antrag auf gerichtliche Neubestellung eins Wahlvorstandes nebst Ersatzmitgliedern unbegründet. Die Voraussetzungen hierfür nach § 17 Abs. 4 Satz 1 BetrVG lägen nicht vor, da eine Betriebsversammlung mit Wahl eines Wahlvorstandes im Sinne des § 17 Abs. 2, 3 BetrVG stattgefunden habe. Daher sei nun wiederum eine Bestellung durch Wah...