Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung. Betriebsratswahl. Versicherungsvertreter. Wahlanfechtung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsratswahl ist u.a. dann unwirksam, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen wird, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
2. Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht liegt vor, wenn der Wahlvorstand die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiter statt auf 97 auf 103 festlegt (sieben statt fünf zu wählende Betriebsratsmitglieder), weil er im Außendienst tätige Mitarbeiter als Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 BetrVG qualifiziert.
Normenkette
BetrVG § 19
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 29.05.2006; Aktenzeichen 8 BV 4/06) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 29.05.2006, Az: 8 BV 4/06, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Antragstellerin ist ein Lebensversicherungsunternehmen. Am 01.03.2006 fand in ihrer Vertriebsdirektion CStadt eine Betriebsratswahl statt, aus welcher der Antragsgegner, ein aus sieben Mitgliedern bestehender Betriebsrat hervorging. In Vorbereitung dieser Betriebsratswahl hatte der Wahlvorstand eine Wählerliste mit insgesamt 106 wahlberechtigten Arbeitnehmern erstellt und dementsprechend die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder im Wahlausschreiben vom 17.01.2006 mit sieben angegeben. In die Wählerliste aufgenommen hatte der Wahlvorstand auch neun Mitarbeiter, welche bei der Antragstellerin im Außendienst auf der Grundlage gleichlautender, als „Agenturvertrag zur Tätigkeit als Hauptvertreter” betitelter Vertragswerke tätig sind. Diese Verträge, hinsichtlich deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 10 bis 17 d. A. Bezug genommen wird, enthalten u. a. folgende Bestimmung:
§ 1 Wirkungskreis
1. Mit dem Datum der Vertragsunterzeichnung durch die VDL und den Vertreter wird dieser in allen im Rahmen dieses Vertrages vereinbarten Versicherungszweigen als selbständiger hauptberuflicher Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 Abs. 1, 92 HGB tätig. Er ist Vermittlungsagent im Sinne des § 43 VVG. Über Zeit und Durchführung seiner Tätigkeit kann er im wesentlichen frei bestimmen.
Mit ihrer am 13.03.2006 beim Arbeitsgericht eingereichter Antragsschrift hat die Antragstellerin die Wahl angefochten. Sie ist der Ansicht, in der Vertriebsdirektion C-Stadt seien lediglich siebenundneunzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, so dass der Betriebsrat aus fünf Mitgliedern bestehe. Die Wahl eines siebenköpfigen Betriebsrats sei daher unwirksam. Die Mitberücksichtigung der insgesamt neun Mitarbeiter, welche bei ihr – der Antragstellerin – auf der Grundlage von Verträgen als selbständige hauptberufliche Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 Abs. 1, 92 HGB tätig seien, verstoße gegen wesentliche Vorschriften betreffend die Wahlberechtigung und die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 01.03.2006 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, auch bei den von Seiten der Arbeitgeberin als Handelsvertreter bezeichneten Beschäftigten handele es sich in Wahrheit um Arbeitnehmer.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 29.05.2006, auf dessen tatbestandlichen Teil (Bl. 315 und 316 d. A.) zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 3 bis 7 dieses Beschlusses (= Bl. 316 bis 320 d. A.) verwiesen.
Gegen den ihn am 14.06.2006 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 30.06.2006 Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 11.08.2006 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 14.09.2006 begründet.
Der Betriebsrat macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei den betreffenden neun Mitarbeitern nicht um Arbeitnehmer im Sinne der §§ 5, 7 BetrVG handele. Schon die Art und das Ausmaß der fachlichen Weisungen, denen diese Mitarbeiter unterworfen seien, sprächen für deren Arbeitnehmereigenschaft. Im Betrieb der Antragstellerin bestehe ein umfangreiches Auftrags- und Berichtswesen für die so genannten Handelsvertreter. Diese seien verpflichtet, die Unternehmensrichtlinien und Gesprächsleitfäden zu beachten. Es fänden Monats- und Quartalsgespräche mit den Vorgesetzten statt, bei denen Zielvereinbarungen vereinbart würden. Darüber hinaus bestelle der Vorgesetzte regelmäßig diese Mitarbeiter zu verbindlichen Gesprächen ein, z. B. im Fall einer hohen Stornoquote. Es bestehe die Pflicht zur Nachbearbeitung von stornogefährdeten Versicherungsverträgen. Entsprechendes gelte hinsichtlich so genannter notleidender Verträge. Die betreffenden Mitarbeiter seien auch vertraglich verpflichtet, 1.500...