Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Grundsatz, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Mitbestimmung. Urlaubsgrundsätze. Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gefahr der Wiederholung ist Voraussetzung für den allgemeinen Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG. Erforderlich ist eine ernstliche, sich auf Tatsachen begründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass z.B. die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht.
2. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Urlaubsgrundsätze sind Regeln, die festsetzen, nach welchen Grundsätzen der Arbeitgeber den Arbeitnehmern Urlaub gewähren soll oder aber nicht gewährt werden darf. Hierunter fallen Vereinbarungen über die Aufteilung des Urlaubsanspruchs und die Verteilung des Urlaubs innerhalb des Kalenderjahrs, über Sperrzeiten z.B. während des Schlussverkaufs im Einzelhandel, über Auswirkungen von Familienstand und Vorhandensein schulpflichtiger Kinder auf die zeitliche Lage des Urlaubs und über die Einführung und zeitliche Lage von Betriebsferien.
Normenkette
BetrVG § 2 I, § 87 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 07.08.2008; Aktenzeichen 10 BV 12/08) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.08.2008, 10 BV 12/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze.
Im Betrieb der Arbeitgeberin wurde, nachdem der alte Betriebsrat zurückgetreten war, am 13.07.2007 ein neuer Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 14.07.2007 bekannt gemacht (Bl. 18 d. A.). Der vormalige Geschäftsführer der Arbeitgeberin erließ unter Datum 17.07.2007 – ohne den Betriebsrat zu beteiligen – unter der Überschrift „Urlaubsgrundsätze” Regelungen über Urlaubsplanung, -terminierung, -beantragung und -genehmigung, Ablehnung von Urlaubsanträgen sowie Übertragung und Verfall von Urlaubsansprüchen (Bl. 7 bis 9 d. A.). Der Betriebsrat trat am 03.08.2007 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Er wies den vormaligen Geschäftsführer mit Schreiben vom 02.01.2008 darauf hin, dass für die Urlaubsplanung 2008 von Arbeitgeberseite einseitig Urlaubsrichtlinien erstellt worden seien; der Betriebsrat erwarte, dass Urlaubsrichtlinien in Form einer Betriebsvereinbarung vereinbart würden. Er ließ der Arbeitgeberin im Anhang zu dem Schreiben vom 02.01.2008 einen Vorschlag zukommen (Bl. 5 d. A.). Der vormalige Geschäftsführer entgegnete hierauf mit Schreiben vom 08.01.2008, es bestehe kein Bedarf an einer Regelung, da diese bereits seit 17.07.2007 existiere: er habe Urlaubsgrundsätze aufgestellt, die von den Bereichsleitern umzusetzen seien (Bl. 6 d. A.). Der Personalleiter der Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat in der 10. Kalenderwoche 2008 mit, die Urlaubsrichtlinien gemäß dem Beschluss vom 17.07.2007 würden weiter angewendet.
Mit seinem am 13.03.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag hat der Betriebsrat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, den Geschäftsführerbeschluss über Urlaubsgrundsätze vom 17.07.2007 anzuwenden. Zugleich hat er die Androhung eines Ordnungsgeldes begehrt.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich vorgetragen,
dem Betriebsrat stehe nach näherer Maßgabe des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93, bei einer Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG neben § 23 Abs. 3 BetrVG ein eigenständiger Unterlassungsanspruch zu. Die Arbeitgeberin sei schon ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl am 14.07.2007 verpflichtet gewesen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG zu beachten. Die Amtszeit des neuen Betriebsrates beginne mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses unabhängig davon, ob sich der neu gewählte Betriebsrat an diesem Tag bereits konstituiert habe. Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 14.07.2007 habe bis zur Sitzung des Betriebsrats am 03.08.2007 keine betriebsratslose Zeit bestanden. Er verweise auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.09.1983, 7 AZR 266/82, wonach der Betriebsrat auch ohne Wahl eines Vorsitzenden und eines Stellvertreters funktionsfähig sei und wirksam Beschlüsse fassen könne. Die konstituierende Sitzung des Betriebsrats sei nur ein interner Vorgang der Geschäftsführung. Zuvor habe der Arbeitgeber zwar nur die Möglichkeit, allen Betriebsratsmitgliedern gegenüber betriebsverfassungsrechtlich relevante Erklärungen abzugeben. Das Fehlen eines Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters führe zw...