Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes bei Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Zustimmungsersetzung bei Teilnahme an Einigungsstellenverfahren anderer Unternehmensbetriebe als betriebsfremder "Betriebsratsberater" im Nebenerwerb

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Betriebsratsmitglied in der erklärten Absicht einer Nebenerwerbstätigkeit als "Betriebsratsberater" an mehreren Einigungsstellen anderer Betriebe des Unternehmens zur Erzielung des damit verbundenen Beisitzerhonorars teil, obwohl ihm dies von Seiten seines Arbeitgebers wegen der Unvereinbarkeit mit den ihm obliegenden Loyalitätspflichten untersagt worden war, kann darin ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liegen.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 307, 626; BetrVG § 103 Abs. 2, §§ 37, 76a, 78; KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 314 Abs. 2, § 611 Abs. 1, § 626 Abs. 1-2; KSchG § 15 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 37 Abs. 2-3, § 76a Abs. 2 S. 1, § 78 S. 2, § 103 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 18.06.2013; Aktenzeichen 2 BV 22/12)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 13.05.2015; Aktenzeichen 2 ABR 38/14)

 

Tenor

Die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 18. Juni 2013 - 2 BV 22/12 - werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die zu 1) beteiligte Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des zu 2) beteiligten Betriebsrats zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3).

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen mit Hauptsitz in Hamburg. In Deutschland betreibt sie ca. 390 Filialen, darunter die in Trier. Der Beteiligte zu 2) ist der in der in Trier gebildete fünfköpfige Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 3) ist. Weiterhin ist der Beteiligte zu 3) Mitglied im Gesamtbetriebsrat, im Wirtschaftsausschuss und im Europäischen Betriebsrat.

Der am 29. Juni 1973 geborene Beteiligte zu 3) ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrags ("Arbeitsvertrag mit Jahresarbeitszeitregelung" = sog. JAZ-Vertrag) vom 10. September 2001 (Bl. 15 - 21 d. A.) seit dem 01. September 1999 bei der Arbeitgeberin als Mitarbeiter im Verkauf beschäftigt, zuletzt mit einer vereinbarten Jahresarbeitszeit von 1.660 Stunden und einem tariflichen Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.942,72 EUR. Der Arbeitseinsatz bei derartigen "JAZ-Verträgen" erfolgt bei gleichbleibender Vergütung variabel entsprechend dem Arbeitsanfall. Die Personaleinsatzplanung erfolgt monatlich im Rahmen einer durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit vom 18. Dezember 2008 (Bl. 95 - 99 d.A.). Der Arbeitsvertrag des Beteiligten zu 3) vom 10. September 2001 enthält u. a. folgende Regelung:

"§ 4 Allgemeine Pflichten

Die/der Arbeitnehmer/in erklärt sich einverstanden, bei gleicher Vergütung nach Bedarf auch andere als in § 1 dieses Vertrages genannte, gleichwertige Arbeit zu übernehmen und sich, unter Berücksichtigung der Zumutbarkeitsgrundsätze, gegebenenfalls in eine andere Abteilung oder Betriebsstäte versetzen zu lassen.

Nebentätigkeiten dürfen nur mit dem Einverständnis des Arbeitgebers ausgeübt werden.

Die/der Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, Verschwiegenheit über die geschäftlichen und betrieblichen Angelegenheiten zu wahren. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf die Zeit nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die/der Arbeitnehmer/in verpflichtet sich, dem Arbeitgeber unaufgefordert eine neue Adresse mitzuteilen, unter der er/sie zu erreichen ist."

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2012 (Bl. 22, 23 d. A.) teilte der Beteiligte zu 3) unter dem Briefkopf "Komparative Betriebsratsberatung C." (mit angegebener Steuernummer und Bankverbindung) der Arbeitgeberin Folgendes mit:

"Anzeige einer Nebentätigkeit

Sehr geehrter Herr Z,

§ 4 meines Arbeitsvertrages vom 10.09.2001, auf den mein Vertrag vom 18.05.2009 Bezug nimmt, regelt, dass Nebentätigkeiten nur mit dem Einverständnis des Arbeitgebers ausgeübt werden können.

Unabhängig davon, dass in der Literatur diese Vertragsklausel als unwirksam betrachtet wird, da sie nicht sagt, ob ich als Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung habe und - falls ja - unter welchen Umständen, möchte ich Ihnen dennoch anzeigen, dass ich als Beisitzer einer Einigungsstelle für den Betrieb 00 Augsburg tätig sein werde, erstmals am 09. November 2012. Ich zeige diese Tätigkeit an und bitte vorsorglich um Ihr Einverständnis.

Gleichzeitig zeige ich Ihnen an, dass ich zukünftig im Nebenerwerb als Betriebsratsberater (als Pendant zum Unternehmensberater) tätig sein werde und bitte auch hier vorsorglich um Ihr Einverständnis.

Hierbei erlaube ich mir auf die Maßgaben des BAG vom 11. Dezember 2001 (9 AZR 464/00) Bezug zu nehmen:

"Die arbeitsvertragliche Klausel, eine Nebenbeschäftigung bedürfe der Zustimmung des Arbeitgebers, stellt die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit unter Erlaubnisvorbehalt. Der Arbeit...

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