Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligungsrechte eines Betriebsrats bei fehlender Zuständigkeit für den Standort als selbstständiger Betriebsteil
Leitsatz (redaktionell)
Zur Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates ist nicht erforderlich, dass sämtliche Entscheidungsbefugnisse in einer Hand liegen. Ausreichend ist, dass am betreffenden Ort ein Mindestmaß an Organisation vorhanden ist. Nicht entscheidend ist es mit Blick auf den Zweck des § 4 Abs. 1 BetrVG, dass derjenige, der das fachliche Weisungsrecht gegenüber allen Vertriebsmitarbeitern am betreffenden Ort ausübt, außerhalb Deutschlands ansässig ist.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 29.11.2022; Aktenzeichen 3 BV 12/22) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.11.2022, Az.: 3 BV 12/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit des Beteiligten zu 1 für den Standort E. und sich hieraus ergebende Rechte und Pflichten.
Die Beteiligte zu 2 produziert und vertreibt Produkte vor allem auf dem Gebiet der Schweißtechnik. Sie hat am Standort Ei. 103 Mitarbeiter sowie ihren Sitz.
Der Standort Ei. der Beteiligten zu 2 gehörte historisch zu der Schweizer O.-Gruppe, einem internationalen Konzern, und firmierte unter O. Schweißtechnik GmbH. Die L. E. Gruppe erwarb unter anderem den Standort Ei. im Jahr 2017. Dieser firmierte zunächst weiter unter O. Schweißtechnik GmbH und wurde erst im Jahr 2022 als C. umfirmiert. Am Standort Ei. stellt die Beteiligte zu 2 Produkte im Bereich der Schweißpulverproduktion her und unterhält unter anderem ein Anwendungszentrum für Schweißtechnik. Dort sind auch Mitarbeiter des Vertriebs tätig.
Der Beteiligte zu 1 ist der am Standort Ei. der Beteiligten zu 2 gewählte siebenköpfige Betriebsrat. Es besteht ein Wirtschaftsausschuss.
Der Standort E. unter der Anschrift "M.-Str. E." bestand viele Jahre als unselbstständige Niederlassung der niederländischen L. B.V., welche ebenfalls zur L. E.-Gruppe gehört. Aufgabe des Standorts war die Versorgung des deutschen Marktes mit der gesamten Palette der Produkte, die in der L. E.-Gruppe weltweit hergestellt werden. Am 31.12.2021 wurde der Standort E. von der L. E. GmbH auf die Beteiligte zu 2 übertragen. Die Beteiligte zu 2 beschäftigt in E. 23 Mitarbeiter, darunter 16 Mitarbeiter des Vertriebs oder der Vertriebsunterstützung. Ein Betriebsrat ist in E. nicht gewählt.
Ebenfalls unter der Anschrift "M.Str., E." sitzt die vormalige U. & E. Schweißtechnik GmbH, die Anfang 2021 auf die L. E. GmbH verschmolzen wurde. Ihr Geschäftsführer war und ist der Zeuge E..
Im Handelsregister sind betreffend die Beteiligte zu 2 keine Zweigniederlassungen eingetragen. Eine gesonderte Gewerbeanmeldung betreffend "E." liegt nicht vor.
Die Standorte in Ei. einerseits sowie in E. andererseits liegen circa 300 km voneinander entfernt.
Zum 01.07.2022 nahm Frau N. ein Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 2 auf. Ihr Arbeitsplatz befindet sich in E.. Ihre Tätigkeit ist die einer Personalsachbearbeiterin für die Region D.. Konkret ist sie dabei unter anderem für folgende Standorte der L.-Gruppe zuständig: E., B., W. (Deutschland), Sch. (Österreich). Der Beteiligte zu 1 wurde vor ihrer Einstellung nicht beteiligt.
Der vormalige Personalleiter der Beteiligten zu 2 Herr M. hat diese im Juni 2023 verlassen. Sein Nachfolger ist Herr S.. Herr F. (vormals zuständig für den Vertrieb mit Gesamtprokura) übt zwischenzeitlich eine andere Funktion bei der Beteiligten zu 2 aus.
Der Beteiligte zu 1 hat vorgetragen,
neben dem Standort Ei. gehöre zum Betrieb der Beteiligten zu 2 auch der weitere Standort in E.. " E." habe weder einen eigenen Betriebsinhalt noch irgendeine Selbstständigkeit. Es gebe dort keine Zertifizierungen, keine Definition der Aufgaben. In E. sei kein Mindestmaß an Organisation und Eigenständigkeit vorhanden, insbesondere ergebe sich dies nicht aus der Funktion von Herrn E..
Der "Betrieb in E." werde nicht von E. geleitet. Dieser leite unter derselben Anschrift wie die Beteiligte zu 2 einen eigenen Betrieb - U. & E. Schweisstechnik. Dieser werde in der L. E. Gruppe unter GE 20 geführt. Die U. & E. Schweisstechnik habe aber nichts mit der Beteiligten zu 2 zu tun. Diese "Leitung" von "E." der Beteiligten zu 2 sei auch in keinem einzigen Organigramm ersichtlich. Kein einziger Mitarbeiter, der direkt an Herrn E. berichte und ihm unterstellt sei, sei Mitarbeiter der Beteiligten zu 2.
Die Leitungsmacht in "E." sei exakt dieselbe wie im Betrieb Ei. und bestehe aus den Herren M. (Personalleiter D.), Herrn F. (Vertrieb, mit Gesamtprokura) und Herrn P. (Werkleitung, mit Gesamtprokura), Geschäftsführer sei Herr Mü.. Es würden gemeinsame Personallisten geführt, die ihm - dem Beteiligten zu 1 - auch monatlich übermittelt würden; ein deutlicher Hinweis dafür, dass die Arbeitszeiten in Ei. abgerufen und dass die Personalarbeit ...