Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenausgleich. Tendenzbetrieb. Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt.
2. Ein Tendenzbetrieb im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG liegt vor, wenn das Unternehmen und der Betrieb der Arbeitgeberin unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung und Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Anwendung findet.
3. Zur Feststellung des quantitativen Übergewichts kommt es bei Mischunternehmen auf die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer an, die an der Tendenzverwirklichung mitwirken, etwa indem sie die technischen Voraussetzungen für die Tendenzverwirklichung schaffen.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 118
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 10.08.2005; Aktenzeichen 10 BV 31/05) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.08.2005 – 10 BV 31/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde kann nicht zugelassen werden.
Tatbestand
I.
Dem Betriebsrat geht es um eine Entscheidung über die Besetzung einer Einigungsstelle, die im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung im Druck- und Verlagshaus der Arbeitgeberin (= Auslagerung der Druckvorstufe bzw. eines Teiles davon) versuchen soll, eine Einigung über einen Interessenausgleich herbeizuführen.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 18.08.2005 – 10 BV 31/05 – dort Seite 2 f. = Bl. 59 f. d. A.).
Das Arbeitsgericht hat die Anträge – soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse – zurückgewiesen. Gegen den am 09.09.2005 zugestellten Beschluss vom 18.08.2005 – 10 BV 31/05 – hat der Betriebsrat am 23.09.2005 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 23.09.2005 (Bl. 81 ff. d. A.) verwiesen.
Der Betriebsrat hält dort insbesondere an seiner Auffassung fest, dass es sich bei dem Unternehmen der Arbeitgeberin nicht mehr um einen Tendenzbetrieb im Sinne des BetrVG handele. Die Arbeitgeberin habe durch bewusste unternehmerische Entscheidung die „tendenzproduzierende Redaktion” ausgegliedert. Der Unternehmenszweck der Arbeitgeberin sei – wie bei anderen technischen Betrieben – nur noch die technische Produktion der Zeitung und die Organisation für einen erfolgreichen Vertrieb. Der Betriebsrat meint, dass die formelle Herausgeberschaft nicht dazu führen könne, dass die Mitbestimmungsrechte für nahezu sämtliche Beschäftigten eingeschränkt würden, – nur weil sich das Unternehmen dazu entschlossen habe, den Chefredakteur und den Chef vom Dienst im „Nichttendenzunternehmen” zu belassen. Sollte sich die Ansicht der Arbeitgeberseite durchsetzen – so führt der Betriebsrat weiter aus –, brauchten Zeitungsverlage zukünftig jeden Chefredakteur nur noch in der unternehmensrechtlich verselbständigten Druckerei zu beschäftigen und die Druckerei formal zum Herausgeber der Zeitung zu machen, um Mitbestimmungsrechte einzuschränken. Im Übrigen sei es auch nicht so, dass allein durch den Chefredakteur oder den Chef vom Dienst die Tendenz verwirklicht werde. Die Tendenz sei bereits im Wesentlichen vorher durch die von den Redakteuren und Radakteurinnen gelieferten Beiträge, aus denen nur noch ausgewählt werde, verwirklicht.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.08.2005 – 10 BV 31/05 – abzuändern und
- zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die im Zusammenhang mit der Betriebsänderung in der Druckvorstufe einen Interessenausgleich versuchen soll, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Dr. D. zu bestellen und
- die Zahl der Beisitzer pro Seite auf drei festzusetzen
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat den Beschluss des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Beschwerdebeantwortung vom 24.10.2005 (Bl. 110 ff. d. A.) und in dem Schriftsatz vom 19.12.2005 (Bl. 128 ff. d. A.), worauf jeweils verwiesen wird, verteidigt.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
1.
Die Beschwerde ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zu Recht abgewiesen.
2.
Die Beschwerdekammer folgt den Gründen des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 18.08.2005 – 10 BV 31/05 – und stellt dies hiermit ausdrücklich bezugnehmend in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das in...