Entscheidungsstichwort (Thema)

Stillschweigender Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Mehrvergleich bei noch ausstehendem Bewilligungsbeschluss zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Antrag voraus. Dies schließt aber weder eine konkludente Antragstellung noch - wie bei jeder Prozesshandlung - eine Auslegung des Antrags aus, im Rahmen derer das Gericht bei Unklarheiten in entsprechender Anwendung des § 139 ZPO gegebenenfalls nachfragen muss.

2. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für eine bestimmte Instanz bezieht sich regelmäßig nur auf die bereits rechtshängigen Streitgegenstände oder die Streitgegenstände, die gleichzeitig mit der Antragstellung anhängig gemacht werden. Wird nach erfolgter Bewilligung Prozesskostenhilfe für eine Klageerweiterung oder auch für einen (beabsichtigten) Mehrvergleich begehrt, bedarf es eines neuen Antrags.

3. Ist über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zeitpunkt des Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs, der bisher nicht rechtshängige Ansprüche erfasst, noch nicht entschieden, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die finanziell unbemittelte Partei Prozesskostenhilfe nicht nur für die bereits rechtshängigen Streitgegenstände begehrt, die durch den Vergleich erledigt werden, sondern auch für die weiteren durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte (vgl. BAG 30. April 2014 10 AZB 13/14 Rn. 17, zitiert nach [...]).

 

Normenkette

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, §§ 139, 321, 117, 321 Abs. 2, § 278 Abs. 6; BGB § 779

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 20.11.2015; Aktenzeichen 2 Ca 1264/15)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird im Verfahren 2 Ca 1264/15 vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern der Beschluss vom 20. November 2015 aufgehoben und der Beschluss vom 16. November 2015 dahingehend ergänzt, dass sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert des Vergleichs vom 16. November 2015 erstreckt.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich.

Der seit 01. Oktober 2010 zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.400,00 Euro bei der Beklagten beschäftigte Kläger hat im Ausgangsverfahren am 06. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vom 25. September 2015 erhoben, seine vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt und zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gestellt. Im Gütetermin vom 16. November 2015 haben die Parteien den Rechtsstreit durch rechtswirksamen Vergleich beigelegt, nach dem das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 31. Oktober 2015 geendet hat, der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt vergütet wird und die Beklagte ihm ein qualifiziertes Arbeitsverhältnis erteilt. Mit verkündetem Beschluss hat das Arbeitsgericht im Gütetermin den Gegenstandswert der Prozessbevollmächtigten für das Verfahren auf 4.200,00 Euro und für den Vergleich auf 5.600 Euro festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger nach dem Gütetermin mit formlos übersandtem Beschluss vom 16. November 2015 für die 1. Instanz in vollem Umfang einstweilen ohne Ratenzahlungsbestimmung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Mit Schriftsatz vom 18. November 2015 hat der Kläger beantragt, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch auf den in der Verhandlung vom 16. November 2015 geschlossenen Vergleich zu erstrecken.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag vom 18. November 2015 mit Beschluss vom 20. November 2015 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe vor Abschluss des Vergleichs hierfür keine Prozesskostenhilfe beantragt.

Der Kläger hat gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 25. November 2015 zugestellten Beschluss mit am 27. November 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 26. November 2015 sofortige Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, der gesonderte Antrag vom 18. November 2015 sei nicht notwendig gewesen, es seien sämtliche Gebühren entstanden. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 03. Dezember 2015 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, die für den Vergleich versagte Prozesskostenhilfe betreffe nur den Vergleichsmehrwert für das Zeugnis.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich. Der Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss des Arbeitsgerichts vom 16. November 2015 war unter Aufhebung des Beschlusses vom 20. November 2015 im Hinblick auf den Mehrvergleich zu ergänzen.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

2.1. Der Kläger hat mit S...

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