Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur vollständigen Angabe der Einkünfte bei Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. Angabe von Entschädigungszahlungen bei Prozesskostenhilfe. Verwendung erhaltener Entschädigungszahlungen bei Prozesskostenhilfe für AGG-Klage
Leitsatz (amtlich)
Ein Antragsteller, der für eine Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG Prozesskostenhilfe beantragt, ist gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO verpflichtet, die Anfrage des Arbeitsgerichts nach bereits zugeflossenen Entschädigungszahlungen zu beantworten. Im Einzelfall kann es gerechtfertigt sein, dass er diese Entschädigungen zur Tragung der Prozesskosten verwendet.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2; SGB XII § 90 Abs. 3; ZPO § 115 Abs. 3, § 118 Abs. 2 S. 4, § 97 Abs. 1, § 127 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 17.12.2021; Aktenzeichen 11 Ca 2122/21) |
Tenor
- Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. Dezember 2021, Az. 11 Ca 2122/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
Der 1956 geborene Antragsteller ist ausgebildeter Großhandelskaufmann. Er ist ein schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 60 und bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Antragsteller bewarb sich unter Angabe seiner Schwerbehinderung ohne Erfolg auf eine im März 2021 von der beklagten Stadt ausgeschriebene Vollzeitstelle "für eine/einen Mitarbeiter/in (m/w/d) für den Bereich der allg. Verwaltung". Zu einem Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Mit Schreiben vom 4. Mai 2021 wurde ihm auf seine Nachfrage mitgeteilt, dass man sich für eine/n andere/n Bewerber/in entschieden habe. Nachdem er mit Schreiben vom 15. Juni 2021, bei der beklagten Stadt am 18. Juni 2021 eingegangen, erfolglos einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. € 8.450,00 (drei Monatsentgelte nach EG 6 Stufe 2 TVöD-VKA) geltend gemacht hat, erhob er am 17. September 2021 Klage und beantragte gleichzeitig Prozesskostenhilfe.
Die beklagte Stadt macht geltend, der Antragsteller sei bundesweit bei öffentlichen Arbeitgebern und bei den Arbeitsgerichten als sog. AGG-Hopper bekannt. Es sei ihm nur darum gegangen, den formalen Status als Bewerber zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen. Sein Entschädigungsverlangen sei daher rechtsmissbräuchlich (zu den Vorgaben BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 46 ff. mwN).
Da das Arbeitsgericht Koblenz dem Antragsteller in einem anderen Rechtsstreit mit rechtskräftigem Urteil vom 13. März 2019 (12 Ca 13/19) eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. € 4.892,82 zugesprochen hat, gab es ihm im PKH-Bewilligungsverfahren unter Fristsetzung auf, sich zum Verbleib seiner Einnahmen aus diesem Rechtsstreit und allgemein aus Entschädigungsklagen "in derzeit unbekannter Höhe" zu erklären. Der Antragsteller räumte pauschal ein, dass er "in der Vergangenheit erfolgreich einige Entschädigungszahlungen vor Gericht erstritten" habe. Zur Höhe und zum Verbleib dieser Einnahmen erklärte er sich hingegen nicht. Er ist der Ansicht, Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG seien im Rahmen der Prozesskostenhilfe weder als Einkommen noch als Vermögen anrechenbar, so dass er die gerichtliche Anfrage nicht beantworten müsse.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2021, zugestellt am 20. Dezember 2021, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Der am 20. Januar 2021 eingereichten sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 20. Januar 2022 zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
1. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass es nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO vom Antragsteller verlangen könne, innerhalb einer gesetzten Frist bestimmte Fragen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu beantworten. Komme der Antragsteller der Aufforderung nicht nach, sei die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu versagen. Im Streitfall sei der Antragsteller verpflichtet, sich über den Verbleib der ihm zugesprochenen Entschädigungszahlungen zu erklären. Die ihm nach §15 Abs. 2 AGG gezahlten Entschädigungen seien für die Ermittlung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse als Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen. Entsprechende Einkünfte habe er auf Aufforderung gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO glaubhaft zu machen.
Nach § 115 Abs. 3 ZPO habe die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar sei. Dies bestimme sich nach § 90 SGB XII