Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Entschädigung nach AGG bei Prozesskostenhilfe. Berücksichtigung von Entschädigungsleistungen bei Vermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfe. Keine Härte im Sinne des § 90 SGB XII bei Berücksichtigung von Entschädigungsleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Vermögen im Sinn des § 115 Abs. 4 ZPO gehören auch Entschädigungszahlungen, die auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG geleistet werden.
2. Der Einsatz von Entschädigungen, die auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG geleistet werden, stellt auch nicht grundsätzlich eine Härte im Sinn des § 90 Abs. 3 SGB XII dar.
Normenkette
ZPO § 115; SGB XII § 90; AGG § 15 Abs. 2; ZPO § 114 Abs. 1, § 118
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 23.06.2022; Aktenzeichen 42 Ca 10434/21) |
Tenor
I. Der Antrag des Klägers und Berufungsklägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger und Berufungskläger begehrt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für ein Berufungsverfahren.
I. Gemäß § 114 Absatz 1 Satz 1 ZPO (Zivilprozessordnung) erhält die Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gilt entsprechend (§ 115 Absatz 4 ZPO). Das Gericht kann nach § 118 Absatz 2 Satz 2 ZPO Erhebungen anstellen. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (§ 118 Absatz 1 Satz 4 ZPO).
II. Danach ist der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen. Denn der Kläger hat innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Frist die Frage zu dem Verbleib der Entschädigungen nicht genügend beantwortet. Es kann daher hier nicht abschließend geprüft werden, ob der Kläger die Prozesskosten nicht aus seinem Vermögen bestreiten kann beziehungsweise ob sich der Kläger nicht so behandeln lassen muss, als ob er noch über ein ausreichendes Vermögen zur Tragung der Prozesskosten verfügt. Demnach kann eine Bedürftigkeit des Klägers nicht angenommen werden.
1. Zum Vermögen im Sinn des § 115 Absatz 4 ZPO gehören auch Entschädigungszahlungen, die auf der Grundlage des § 15 Absatz 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) geleistet werden. § 115 Absatz 4 ZPO verweist lediglich auf § 90 SGB XII. Unerheblich ist daher, ob eine Entschädigungszahlung gemäß § 15 Absatz 2 AGG nach § 11a Absatz 2 SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch) nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Der Einsatz von Entschädigungen, die auf der Grundlage des § 15 Absatz 2 AGG geleistet werden, stellt auch nicht grundsätzlich eine Härte im Sinn des § 90 Absatz 3 SGB XII dar. Die Regelung in § 90 Absatz 3 SGB XII gibt keinen Anhalt dafür, weshalb die Verwertung beziehungsweise der Einsatz einer Entschädigungszahlung allgemein eine Härte für den Antragsteller bedeuten soll. Bei Entschädigungszahlungen nach § 15 Absatz 2 AGG handelt es sich um pfändbare Ansprüche. Bereits hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Zahlungen nicht generell bei dem Antragsteller verbleiben müssen. Die Entschädigungszahlung gemäß § 15 Absatz 2 AGG hat eine Doppelfunktion: Sie dient einerseits der vollen Kompensation des immateriellen Schadens und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist (BAG (Bundesarbeitsgericht) 28. Oktober 2021 - 8 AZR 371/20 - Randnummer 16; 27. August 2020 - 8 AZR 62/19 - Randnummer 86). Diese Zweckrichtung rechtfertigt nicht per se, den Einsatz einer Entschädigung als Härte für den Antragsteller zu bewerten. Anders als bei einem Schmerzensgeld steht hier gerade nicht die schadensausgleichende Funktion und opferbezogene Merkmale wie Umfang und Dauer der Schmerzen, Entstellungen, Leiden und Eingriffe in das Leben des Opfers im Vordergrund. Für eine Entschädigungszahlung nach § 15 Absatz 2 AGG kommt es nicht darauf an, ob dem Benachteiligten konkrete Einbußen in seiner Lebensführung entstanden sind (vergleiche zu einer Entschädigung wegen einer Persönlichkeitsverletzung auch BGH (Bundesgerichtshof) 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05 - Randnummer 13 fortfolgende; vergleiche ferner LAG (Landesarbeitsgericht) Rheinland-Pfalz 21. Februar 2022 - 5 Ta 13/22 - Juris-Randnummer 12 fortfolgende).
2. Dem Kläger ist gemäß § 118 Absatz 2 Satz 2 ZPO aufgegeben worden, bis zum 21. November 2022 alle Entschädigungen, die der Kläger seit August 2021 - im August 2021...