Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung. Einkommensverhältnisse. Prozesskostenhilfe. Ratenplan. rückwirkend. Verschlechterung. Verschulden. Abänderung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei unverschuldetem Zahlungsverzug
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 124 Nr. 4 ZPO kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist; obwohl die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur einen "Rückstand" voraussetzt, ist damit ein (schuldhafter) Verzug gemeint.
2. Beruht die Nichtzahlung von Raten nicht auf einem Verschulden der bedürftigen Partei, ist der Widerruf der Prozesskostenhilfebewilligung unwirksam.
3. Ein Hinweis der Partei auf eine verschlechterte wirtschaftliche Lage ist in der Regel als Änderungsantrag nach § 120 Abs. 4 ZPO zu bewerten; bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe rückwirkend abgeändert werden.
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 4
Verfahrensgang
AK Bad Kreuznach (Entscheidung vom 22.11.2012) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 23.07.2012; Aktenzeichen 11 Ca 287/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach -, Az. 11 Ca 258/11, vom 23. Juli 2012 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 17. Oktober 2002 aufgehoben
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der ihn erstinstanzlich am 20. September 2011 unter ratenweise Beteiligung von 135,00 EUR monatlich bewilligten Prozesskostenhilfe. Nach Begleichung der ersten beiden ab Anfang November 2011 angeforderten Raten, kam der Kläger seiner weiteren Zahlungsverpflichtung bis jedenfalls 2. April 2012 nicht mehr nach. Entsprechend Mitteilung der Landesjustizkasse jenes Datums (Bl. 16 PKH-Beiheft) war er zwischenzeitlich dreifach ergebnislos zur Begleichung der Raten aufgefordert worden. Das Arbeitsgericht hob deshalb die bewilligte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23 Juli 2012 entsprechend § 124 Nr. 4 ZPO auf (dem Kläger zugestellt am 27 Juli 2012).
Der Kläger legte hierauf mit Schriftsatz vom 24. August 2012 eine aktualisierte Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vor und erhob mit Schriftsatz vom 27. August 2012 (eingegangen am gleichen Tag per Fax, Bl. 32 PKH-Beiheft) die sofortige Beschwerde.
Hinsichtlich der Entwicklung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erläuterte der Kläger im Schriftsatz vom 12. September 2012, dass er in der Zeit vom 1. Januar bis zum 14. März 2012 Arbeitslosengeld mit 25,41 EUR täglich erhalten habe und seit dem 15. März 2012 einen Verdienst (bereinigt um Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Steuern) von 1.205,29 EUR erziele, und zwar bei weiter gleichen Belastungen aus Kfz-Steuer, Renten- und Lebensversicherung, PKW-Versicherung sowie PKW-Leasingraten im Umfang von insgesamt 384,86 EUR monatlich (Bl. 29 PKH-Beiheft).
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des PKH-Beihefts Bezug genommen.
II.
Die nach § 78 Satz 1 ArbGG, § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1.
Gemäß § 124 Nr. 4 ZPO kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist. Obwohl die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur einen "Rückstand" voraussetzt, nimmt die herrschende Meinung zutreffend an, dass damit ein - schuldhafter - Verzug gemeint ist.
a)
D.h. wenn die Nichtzahlung von Raten nicht auf einem Verschulden des Bedürftigen beruht, ist der Widerruf der Prozesskostenhilfebewilligung unzulässig (BGH 9.1.1997 - IX ZR 61/94 - zu II 1a der Gründe, NJW 1997, 1077; LAG Rheinland-Pfalz 16.8.2011 - 3 Ta 153/11 - zu II der Gründe, [...]). Es entspricht auch der überwiegenden und zutreffenden Ansicht, dass ein Hinweis der PKH-Partei auf eine verschlechterte wirtschaftliche Lage in der Regel einen Änderungsantrag nach § 120 Abs. 4 ZPO darstellt (LAG Hamm 26.5.2003 - 18 Ta 49/03 - zu II 2 der Gründe, [...]) und die Prozesskostenhilfebewilligung hierauf rückwirkend, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, abgeändert werden kann (LAG Hamm 22.9.2005 - 4 Ta 395/04 - zu II 1.2. der Gründe, [...]; MünchKommZPO/ Wax 2. Aufl. § 120 Rn. 14; Musielak/ Fischer ZPO 8. Aufl. § 120 Rn. 13; Stein/Jonas/ Bork ZPO 21. Aufl. § 120 Rn. 31). Dies deshalb, weil der Wille der Gesetzesverfasser dahin ging, eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt zu ermöglichen, zu dem sich die Verhältnisse der Partei tatsächlich änderten (BT-Drucks. 10/3054 S. 22).
b)
Vor diesem Hintergrund kommt eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO wegen rückständiger Beträge, die in einen Zeitraum fallen, zu dem bereits eine Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse ...