Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Formularzwang bei § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO. Umfang des Sanktionscharakters von § 124 Nr. 2 ZPO. Verwirkung des Beschwerderechts gegen Aufhebung der Prozeßkostenhilfe. Aufhebung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1) Im Prozeßkostenhilfeverfahren ist die Partei im Rahmen der nach § 120 Abs. 4 ZPO vorzunehmenden vierjährigen Überprüfung nicht verpflichtet, nur mittels eines weiteren vollständig ausgefüllten Formulars (§ 117 ZPO) Veränderungen über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse nachzuweisen.

2) Auch wenn eine Partei ihrer Mitwirkungsverpflichtung aus § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht nachgekommen ist und deshalb die Prozeßkostenhilfebewilligung gem. § 124 Nr. 2, 2. Alt. ZPO aufgehoben wird, geht der Sanktionscharakter von § 124 Nr. 2 ZPO nicht soweit, daß die Partei im Erinnerungs-/Beschwerdeverfahren mit neuem Vorbringen grundsätzlich ausgeschlossen wäre.

3) Allerdings kann die Partei durch langes Zuwarten (hier: fast 2 ½ Jahre) ihr Erinnerungs-/Beschwerderecht verwirken, sofern das lange Schweigen der Partei anhand des konkreten Sachverhaltes den Schluß zuläßt, die Partei wolle von einem Rechtsbehelf gegen die Aufhebungsentscheidung (§ 124 Nr. 2 ZPO) absehen.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 2. 2; ZPO Alt. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 30.05.1995; Aktenzeichen 9 Ca 169/92 N)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen denBeschluß der Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom30. Mai 1995 – 9 Ca 169/92 N – wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 700,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Klägerin war in dem von ihr verfolgten Zahlungsverfahren mit Beschluß vom 22. Juli 1993 Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden.

Der Rechtspfleger hat mit Schreiben vom 2. März 1995 die Klägerin aufgefordert, im Rahmen von § 120 Abs. 4 ZPO mitzuteilen, ob sich ihre persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben. Dieser Aufforderung kam die Klägerin nicht nach. Mit weiteren Schreiben vom 3. April und 25. April 1996 wurde die Klägerin erfolglos an die Erledigung erinnert und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß beabsichtigt sei, die bewilligte Prozeßkostenhilfe aufzuheben, falls die Klägerin erneut keine Stellungnahme abgebe. Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, hat der Rechtspfleger mit Beschluß vom 30. Mai 1995 den früheren Beschluß über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe aufgehoben.

Sämtliche Schreiben und auch der Aufhebungsbeschluß gingen an die damals bekannte Adresse der Klägerin.

In der Folgezeit hat die Klägerin nichts unternommen, auch keine Rückzahlungen geleistet. Als die Klägerin einen Rückerstattungsanspruch in einer Strafsache gegenüber dem Land hatte, hat die Landesjustizkasse mit Schreiben vom 10. Juni 1997 diesen Erstattungsanspruch der Klägerin mit dem höheren Rückzahlungsanspruch aus der Prozeßkostenhilfe verrechnet.

Mit Schriftsatz vom 16. Okt. 1997 hat die Klägerin dann gegen den Beschluß vom 30. Mai 1995

Erinnerung

eingelegt.

Sie trägt vor:

Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich nach der damaligen Bewilligung nicht verbessert, sondern eher noch verschlechtert, weil sie mittlerweile zwei weitere Kinder geboren habe. Sie könne sich nicht daran erinnern, den Beschluß vom 30. Mai 1995 erhalten zu haben. Damals habe sie sich rund ein Jahr lang mit ihrem jetzigen Ehemann und den Kindern in Portugal aufgehalten.

Weder der Rechtspfleger noch der Richter haben der Erinnerung abgeholfen. Hierzu haben sie angegeben, sämtliche an die Klägerin gerichteten Schreiben seien nicht zur Akte zurückgelangt. Erstmals habe ein Schreiben der Landesjustizkasse im September 1995 nicht an die Klägerin zugestellt werden können.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die als Beschwerde zu wertende Durchgriffserinnerung ist gem. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO, §§ 11 Abs. 2, 20 Nr. 4 RPflG statthaft und im übrigen auch zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat sich die Rechtspflegerin geweigert, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Gem. § 124 Nr. 2 i.V.m. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO kann die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für die Zeitdauer von vier Jahren seit Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wieder aufgehoben werden, wenn sich die Partei trotz Verlangen des Gerichts nicht darüber erklärt, ob eine Änderung ihrer Verhältnisse eingetreten ist. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung vor. Die Beschwerdeführerin ist trotz mehrfacher Aufforderung ihrer Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen, gegenüber dem Arbeitsgericht anzugeben, ob eine Veränderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Vor Erlaß des angefochtenen Beschlusses vom 30. Mai 1995 wurde die Beschwerdeführerin mehrfach, auch unter Mitteilung der Konsequenzen für ihr N...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?