Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit der Wahl einer zu großen Betriebsvertretung. Zeitpunkt für die Ermittlung der Zahl der Wahlberechtigten. Regelmäßiger Personalstand und konkret absehbare Personalveränderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wahl einer zu großen Betriebsvertretung führt zur Anfechtbarkeit der Wahl.
2. Zur Ermittlung der Anzahl der regelmäßig in der Dienststelle Beschäftigten ist zunächst von der Personalstärke am Tag des Wahlausschreibens auszugehen. Im Rahmen einer rückblickenden und prognostischen Betrachtung ist zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die den für die bevorstehende Amtsperiode zu erwartenden Personalbestand beeinflussen und es mit einem höheren Maß an Gewissheit rechtfertigen, von einer hiervon abweichenden Personalstärke auszugehen.
3. Eine die Beschäftigtenzahl erhöhende Prognose kann getroffen werden, wenn sie auf konkreten Veränderungsentscheidungen beruht. Veränderungen aufgrund der gerade auch in größeren Dienststellen gegebenen Fluktuation bleiben hingegen unberücksichtigt, da diese Schwankungen nicht den regelmäßigen Personalbestand prägen.
Normenkette
BPersVG 1991 §§ 16, 25; NATO-ZusAbk Art. 56, 56 Unterzeichnungsprotokoll Abs. 1, 9
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 06.09.2022; Aktenzeichen 1 BV 6/22) |
Tenor
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 06.09.2022, Az.: 1 BV 6/22, wird zurückgewiesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl zur Betriebsvertretung bei der personalvertretungsrechtlichen Dienststelle X. der US Airforce-Europe. Die Antragstellerin tritt für diese Dienststelle in Prozessstandschaft auf. Die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsvertretung) ist die aus der Betriebsvertretungswahl vom 9. bis 11. Mai 2022 hervorgegangene, aus 11 Mitgliedern bestehende Betriebsvertretung der genannten Dienststelle.
In der Dienststelle war in den Jahren vor 2022 eine Betriebsvertretung aus 11 Mitgliedern gebildet.
Vor Aushang des Wahlausschreibens am 10. März 2022 erstellte die Dienststelle eine dem Wahlvorstand am 9. März 2022 zugeleitete Wählerliste. Diese wies insgesamt 594 Mitarbeitende, darunter 416 Angestellte und 178 Arbeiter, auf. Ausweislich des Wahlausschreibens wurde die Wahl für ein Gremium, bestehend aus 11 Betriebsvertretungsmitgliedern, eingeleitet und ungeachtet eines Schreibens der Dienststelle an den Wahlvorstand vom 16. März 2022 mit dem Hinweis, dass der Wahlvorstand die Zahl der zu wählenden Betriebsvertretungsmitglieder zu hoch angesetzt habe, fortgesetzt. Am 12. Mai 2022 gab der Wahlvorstand das Ergebnis der Wahl durch Aushang bekannt.
Die Betriebsvertretung erhält von der Antragstellerin monatlich sogenannte Strength Reports. Diese Reports wiesen für den Zeitraum Januar 2020 bis einschließlich April 2022 nur für einen Monat (Februar 2020) eine Personalstärke von über 600 wahlberechtigten Arbeitnehmern auf. Im Übrigen bewegte sich die Personalstärke in einer Schwankungsbreite von 576 bis 594 Beschäftigten. Hinsichtlich der Einzelheiten insoweit wird auf die tabellarische Aufstellung der Antragstellerin im Antragschriftsatz vom 24. Mai 2022 (Bl. 2 d.A.) Bezug genommen. Die Betriebsvertretung stützt sich hinsichtlich der Zahl wahlberechtigter Beschäftigter auf jährlich zum Stichtag November eines Jahres erstellte Tätigkeitsberichte (Bl. 71 ff. d.A.). Danach bestand folgende Personalstärke:
- Jahr 2018: 606
- Jahr 2019: 606
- Jahr 2020: 597
- Jahr 2021: 600
Zum Zeitpunkt des Aushangs des Wahlausschreibens hatte die zuvor bestehende Betriebsvertretung hinsichtlich der beabsichtigten Einstellung von 17 Personen einen Zustimmungsbeschluss gefasst. Mit 13 Personen wurde in der Folge ein Arbeitsverhältnis tatsächlich begründet. Auf die Aufstellung der Betriebsvertretung in deren Schriftsatz vom 17. November 2022, S. 5 (Bl. 178 d.A.), wird Bezug genommen. Zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens gab es ferner insgesamt 28 interne Stellenausschreibungen. Diesbezüglich wirdauf die Aufstellung der Betriebsvertretung im Schriftsatz vom 4. August 2022, S. 2 ff. (Bl. 117 ff. d.A.) verwiesen. Die Dienststelle hatte allerdings auch in den vergangenen Jahren und auch Jahrzenten durchgehend Stellen zur Besetzung ausgeschrieben und zwar stets mindestens im gleichen Umfang wie im Jahr 2022. Eine Vielzahl dieser Stellen konnte nicht besetzt werden, was auch dem Wahlvorstand bekannt war. Die Antragstellerin verweist in diesem Zusammenhang auf eine stets gegebene Fluktuation und hat in tabellarischer Form (Schriftsatz vom 21.07.2022), S. 3 ff., Bl. 78 ff. d.A.) eine Aufstellung der im Zeitraum vom 31. März bis 30. November 2022 erfolgten Zu- und Abgänge dargelegt. 28 Zugängen standen demnach 30 Abgänge gegenüber.
Mit dem am 24. Mai 2022 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Wahl unter dem Gesichtspunkt der Wahl eines zu großen Gremiums angefochten. Sie hat die Ansicht vertreten, es hätte kein aus 11 Mitgliedern bes...