Entscheidungsstichwort (Thema)

Meistbegünstigungsgrundsatz. Ordnungsgeld. Zustellungsadressat. Persönliches Erscheinen einer juristischen Person. Ordnungsgeld gegen Partei. Adressat der Zustellung. Grundsatz der Meistbegünstigung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wird gegen eine persönlich geladene, aber unentschuldigt fehlende Partei ein Ordnungsgeld verhängt, so ist der Beschluss ihrem Prozessbevollmächtigten zuzustellen.

2) Wird ein Beschluss der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten zu unterschiedlichen Zeiten zugestellt, gilt nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die längere der möglichen Beschwerdefristen.

3) Wird das persönliche Erscheinen einer juristischen Person angeordnet, ist die Ladung an ihren vom Richter namentlich zu bezeichnenden gesetzlichen Vertreter zu richten.

 

Normenkette

ArbGG § 51 Abs. 1; ZPO §§ 141, 172 Abs. 1 S. 1, §§ 189, 329 Abs. 3, § 380

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 22.06.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1243/09)

 

Tenor

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2009 wird aufgehoben.

 

Tatbestand

I. Der Kläger war bei der Beklagten als Netzwerk-Spezialist in der Abteilung DV-Betrieb tätig. Er verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Abfindung auf der Grundlage der Dienstvereinbarung vom 02.05.2008, wonach Beschäftigte eine Abfindung erhalten, wenn sie eine Eigenkündigung aussprechen, weil ihr Arbeitsplatz innerhalb von sechs Monaten wegfallen wird und kein zumutbarer Arbeitsplatz angeboten wird.

Zur Begründung hat der Kläger in der Klageschrift unter anderem vorgetragen, Ende März/ Anfang April 2008 sei durch seinen Abteilungsleiter, den Zeugen B., wiederholt offen und allgemein kundgetan worden, dass eine vollständige Schließung der EDV am Standort M. erfolgen werde. Der Zeuge B. habe ihm im April 2008 empfohlen, sich zu erkundigen, ob er bei der L. unterkommen könne, da bei der Beklagten für ihn Schluss sein werde. Nachdem er eine Beschäftigung bei der L. gefunden hatte, kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten mit Schreiben vom 22.05.2008 zum 31.12.2008.

Zur Güteverhandlung am 22.06.2009 ordnete das Arbeitsgericht das persönliche Erscheinen beider Parteien an. Für die Beklagte erschien indes nur ihr Prozessbevollmächtigter. Der Beklagtenvertreter erklärte zu Protokoll, dass er sich zu dem vom Kläger angesprochenen Gespräch zwischen diesem und seinem Abteilungsleiter Becker nicht mehr erklären könne, es gebe noch Klärungsbedarf bei der Beklagten. Daraufhin verhängte das Arbeitsgericht wegen der Missachtung der Anordnung zum persönlichen Erscheinen ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR gegen die Beklagte.

Der Beschluss vom 22.06.2009 ist der Beklagten am 26.06.2009 zugestellt worden und ihrem Prozessbevollmächtigten am 29.06.2009 formlos zugegangen. Am 13.07.2009 hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt und die Aufhebung des Beschlusses beantragt.

Sie macht geltend, ihr mit persönlicher Terminsvollmacht ausgestatteter Prozessbevollmächtigter sei sowohl zum Abschluss eines Vergleiches ermächtigt gewesen – der allerdings aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht gekommen sei – als auch über den zugrunde liegenden Sachverhalt informiert und zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage gewesen. Er habe – nicht protokolliert – mitteilen können, dass die IT-Abteilung am Standort M. nicht vollständig aufgelöst worden sei und dass die Geschäftsleitung auch keine entsprechende allgemeine Erklärung abgegeben habe. Zu der Frage des Gerichts, ob es das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen B. in der vom Kläger behaupteten Form gegeben habe, hätten auch die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, Vertreter der Rechtsabteilung oder der Personalabteilung keine Auskunft geben können. Denn der Zeuge B. habe das Unternehmen zum 30.11.2008 verlassen, so dass eine Rücksprache mit ihm nicht mehr möglich sei. Der Gesprächsinhalt sei auch für die Entscheidung unerheblich, da der Zeuge B. ohnehin keine die Beklagte bindenden Erklärungen hätte abgeben dürfen.

Mit Beschluss vom 16.07.2009 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Zweck der Güteverhandlung, den Sachverhalt so aufzuklären, dass die mündliche Verhandlung vor der Kammer so vorbereitet werden könne, dass sie möglichst in einem Termin beendet werden könne, werde vereitelt, wenn der erschienene Prozessbevollmächtigte den Sachverhalt nur in groben Zügen kenne und seine mangelnde Unterrichtung mit „Klärungsbedarf” entschuldige. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer juristischen Person erfordere nach § 141 Abs. 3 ZPO nicht zwingend das Erscheinen ihrer gesetzlichen Vertreter.

Gegen eine etwaige Versäumung der Beschwerdefrist hat die Beklagte am 28.07.2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Aufgrund der unterschiedlichen Zustelldaten sei die Rechtsmittelbelehrung unklar und nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz die später ablaufende Rechtsmittelfrist maßgebl...

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