Entscheidungsstichwort (Thema)
Angestellter, leitender. Begriff des leitenden Angestellten
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen und im Betrieb zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Ein Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG übt als Unternehmensvertreter die Funktion des Arbeitgebers aus und steht somit in einem natürlichen Interessengegensatz zu den beschäftigten Arbeitnehmern. Die leitende Position muss sich nicht nur aus dem Arbeitsvertrag, sondern auch aus der tatsächlichen Stellung im Unternehmen oder Betrieb ergeben. Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss im Innen- wie auch im Außenverhältnis bestehen.
Normenkette
BetrVG §§ 5, 99
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 19.10.2005; Aktenzeichen 2 BV 67/04) |
Tenor
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.10.2005 – 2 BV 67/04 – wird aufgehoben.
2. Die Einstellung des Mitarbeiters X. als Vertriebsleiter des Vertriebsgebiets Nr. 46, S. mit Wirkung vom 15.05.2004 und als Vertriebsleiter des Vertriebsgebiets T. mit Wirkung vom 01.10.2005 wird aufgehoben.
3. Es wird festgestellt, dass der Mitarbeiter X. kein leitender Angestellter i. S. des § 5, Abs. 3 BetrVG ist.
4. Für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 2. wird der Beteiligten zu 2) ein Zwangsgeld von 250,00 EUR für jeden Tag der Zuwiderhandlung angedroht.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens streiten darüber, ob ein Mitarbeiter leitender Angestellter ist und ob bei seiner Einstellung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt wurde.
Der Antragsteller hat vorgetragen,
Herr X. sei als Vertriebsleiter kein leitender Angestellter. Er sei nicht berechtigt, Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen. Einstellungen könne Herr X. wegen eines Einstellungsstopps nicht vornehmen. Alle Entscheidungen würden von der Zentrale gelenkt. Herr X. sei arbeitsrechtlich zuständig nur für ca. 50 ihm unterstellte Arbeitnehmer. Folglich habe die Antragsgegnerin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG zu beachten gehabt; da dies unterblieben sei, liege eine Verletzung dieser Rechtsnorm vor.
Der Antragsteller hat beantragt,
- es wird festgestellt, dass der Mitarbeiter X. kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 III BetrVG ist,
- die Einstellung des Herrn X. als Vertriebsleiter des Vertriebsgebietes Nr. 46 S. mit Wirkung vom 15.05.2004 wird aufgehoben,
- für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1.) wird der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, angedroht.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen,
ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei vorliegend nicht gegeben, weil Herr X. leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sei. Er sei berechtigt, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen; diesbezüglich werde auf eine zur Akte gereichte Vollmacht verwiesen. Im Rahmen des Personalbudgets treffe Herr X. selbständige Entscheidungen, nach rechtlicher Beratung durch die Tarifkanzlei. Es bestehe auch nicht generell ein Einstellungsstopp.
Herr X. sei auch unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG leitender Angestellter im Hinblick auf seine Aufgabenwahrnehmung als Vertriebsleiter. Er trage die volle Verantwortung für Umsatz, Kosten, Ergebnisse, Absatz und Qualität und wirke bei der Entscheidung über Filialöffnungen und Schließungen entscheidend mit. Hauptaufgabe des Vertriebsleiters sei die Steuerung und Verantwortung des Vertriebes in den Filialen. Herrn X. seien bislang zumindest 300 Arbeitnehmern unterstellt gewesen und ab 01.10.2005 seien weitere 376 Arbeitnehmer hinzugekommen, für die er verantwortlich und zuständig sei.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Anträge daraufhin durch Beschluss vom 19.10.2005 – 2 BV 67/04 – zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts der Gründe der Entscheidung wird auf Blatt 121 bis 124 der Akte Bezug genommen.
Gegen den ihm am 11.01.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller durch am 23.01.2006 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er hat die Beschwerde durch am 11.04.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 13.03.2006 die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung bis zum 13.04.2006 einschließlich verlängert worden war.
Der Antragsteller wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, Herr X. sei nicht als leitender Angestellter anzusehen, denn auf Niederlassungsebene dürfe keine Führungskraft, schon gar nicht Kräfte in zweiter oder dritter Führungsebene eigenständig Einstellungen vornehmen. Nur die Regionalleitung sei b...