Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründeter Eilantrag des Betriebsrats auf Unterlassung personeller Maßnahmen bis zum Abschluss oder Scheitern von Verhandlungen über einen Interessenausgleich
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat kann der Arbeitgeberin zur Sicherung seiner Mitwirkungsrechte bei Betriebsänderungen (§§ 111 ff. BetrVG) nicht durch einstweilige Verfügung untersagen lassen, eine Betriebsänderung durchzuführen und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, bis das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist; ein solcher (allgemeiner) Unterlassungsanspruch des Betriebsrats besteht nicht.
2. Mit dem Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG ist (anders als bei der Mitbestimmung gemäß § 87 BetrVG) eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats vorgesehen; daneben bleibt kein Raum für ein eigenständiges Recht des Betriebsrats zu einer vorsorglichen Verhinderung eines vorzeitigen Abbruchs von Interessenausgleichsverhandlungen.
Normenkette
BetrVG § 113 Abs. 3, § 111
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 30.04.2014; Aktenzeichen 4 BVGa 1/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.04.2014 - 4 BVGa 1/14 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der antragstellende Betriebsrat begehrt im Wege einer einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.) die Unterlassung personeller Maßnahmen bis zum Abschluss bzw. Scheitern von Verhandlungen über einen Interessenausgleich.
Die Beteiligte zu 2., ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, unterhält in A Stadt einen Betrieb mit 269 Arbeitnehmern. Der Stammsitz des Unternehmens befindet sich in D., eine weitere Produktionsstätte in Tschechien. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb in A-Stadt in wechselnder Anzahl auch Leiharbeitnehmer.
In einem vom technischen Geschäftsführer und vom kaufmännischen Leiter der Beteiligten zu 2. an den Betriebsrat gerichteten Schreiben vom 02.05.2005 heißt es:
"Betr.: Antrag auf Leiharbeitnehmer für die Produktion für Monat Mai Grundsatzantrag für Einsatz von max. 8 Leiharbeitnehmern ab 01.06.2005
Sehr geehrte Damen und Herren, für den Monat Mai wird auf Grundlage der engen Personalbedarfsplanung folgendes vereinbart:
- Aussetzung des Brückentages 27.05. [...]
- Genehmigung für Mai, weitere 8 Leiharbeitnehmer zu den bereits vorhandenen Leiharbeitnehmern einzusetzen
- Antrag für Samstagsarbeit am 21.05. für 8 Stunden [...]
Ab 01.06. wird unbefristet die Genehmigung beantragt,
insgesamt max. 8 Leiharbeitnehmer im Unternehmen zu beschäftigen [...].
Es wird Beschäftigungssicherung bis 31.12.2005 zugesagt. Sollte ab der zweiten Jahreshälfte in einem Monat die Anzahl ≫ 3 Leiharbeitnehmer erreicht werden, verlängert sich die Beschäftigungssicherung ab diesem Monat um weitere 6 Monate.
(Beispiel: 4 Leiharbeitnehmer vom 05.-08.09.05 = Ablauf der 6 Monatsfrist per 31.03.06)
Wir bitten um schnellstmögliche Bearbeitung und wohlwollende Prüfung des Antrages."
Dieses Schriftstück unterzeichnete unter dem Datum vom 03.05.2005 der damalige Betriebsratsvorsitzende mit dem Vermerk "genehmigt".
Die Präambel einer zwischen den Parteien geschlossenen "Betriebsvereinbarung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern" vom 02.05.2011 enthält u. a folgenden Formulierung:
"In diesem Zusammenhang wird auf die Betriebsvereinbarung vom 02.05.2005 hingewiesen, die dem Schutz der Stammbelegschaft dient."
Ein Schreiben der Arbeitnehmerin an den Betriebsrat vom 30.07.2013 betreffend die "Rückverlagerung zur Firma H. der D.-Leitungen ..." vom 30.07.2013 enthält einen handschriftlichen, seitens beider Betriebsparteien unterzeichneten Zusatz vom 07.08.2013 mit folgendem Inhalt:
"Betriebsrat und Geschäftsleitung vereinbaren, dass bei einem Produktionseinbruch, der eine negative Auswirkung auf unsere Belegschaft hat, die Teile in unsere Firma zurückverlagert werden".
In einer gemeinsamen Sitzung der Betriebsparteien vom 19.11.2013 wies die Arbeitgeberin auf den Wegfall eines Auftrags der Firma D. im Umfang von 300.000,00 € hin und stellte folgende Planungen vor:
- Einsatz eines Edelstahllötofens in der Produktion bei gleichzeitigem Wegfall der üblichen Vergabe an Subunternehmer,
- Einführung der Produktion von Backformen und eventuell Prüflehren,
- Einführung einer neuen Extrusionsanlage,
- "Optimierungen zu den Abteilungen QW und TW hinsichtlich Serienfreigabe und Freigabe von Teilen",
- Einführung eines Dokumentenmanagementsystems zur Vereinheitlichung der Dokumente in D. und A-Stadt und für einen unternehmensbezogenen Zugriff auf Dokumente,
- Abschaffung des selbständigen Außendienstes und Umstellung auf unmittelbaren Eigenvertrieb durch Innendienstverkäufer
- Verlagerung von Teileproduktion ins Stammwerk D. bzw. nach Tschechien.
Ferner plante die Beteiligte zu 2. die elektronische Erfassung der Projektbearbeitung in verschiedenen Abteilungen von A-Stadt nach D. zu verlagern und schließlich wegen des Auftragsverlusts gegenüber zehn Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen auszusprec...