Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückerstattungsanspruch weitergezahlten Entgelts während der Rente. Ausschluss des Bereicherungsanspruchs gem. § 814 BGB. Herausgabe des Erlangten gem. § 818 BGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wegen Inanspruchnahme einer Rente nach langjähriger Versicherung beendet, besteht in diesem Zeitraum kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mehr. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Vergütungsanspruch mehr aus § 611a Abs. 2 BGB gegen den Arbeitgeber. Eine Vergütung für die Rentenzeit erlangt der Arbeitnehmer mithin ohne Rechtsgrund.
2. Nach § 814 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung. Nicht ausreichend ist die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt.
3. Nach § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Herausgabepflicht des Arbeitnehmers auf das Erlangte. Kann dieses nicht herausgegeben werden, hat der Bereicherungsschuldner den Wert zu ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB). Somit hat der Arbeitnehmer zum einen das an ihn überwiesene Nettoentgelt erlangt wie auch die Befreiung von der entsprechenden Steuerschuld, die nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG unabhängig davon entsteht, ob ein Rechtsanspruch für die Vergütung besteht.
Normenkette
BGB § 166 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, §§ 814, 818 Abs. 3, § 819 Abs. 1, § 307 Abs. 1-2, § 611a Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 08.06.2022; Aktenzeichen 3 Ca 1867/20) |
Tenor
- Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.06.2022, Az.: 3 Ca 1867/20, wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Rückerstattungsanspruch der Klägerin aufgrund einer Überzahlung.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein dreiseitiger Vertrag - Einzelwechsel im Konzern - für tarifliche Arbeitnehmer vom 13.01.2015, geschlossen zwischen der Klägerin, der V. GmbH und dem Beklagten (Bl. 122 ff. d. A.), zugrunde. In dessen "§ 6 Vergütung" ist geregelt:
"4. Sie sind verpflichtet, zu viel erhaltene Vergütungen vollumfänglich an die Gesellschaft zurückzuzahlen."
Das Arbeitsverhältnis des 1956 geborenen Beklagten endete zum Ablauf des 29.02.2020 wegen Inanspruchnahme einer Rente nach langjähriger Versicherung.
In den Monaten März, April, Mai und Juni 2020 wurde das bisherige Entgelt i. H. v jeweils 3.779,50 € brutto durch die konzerninterne Personaldienstleister-Gesellschaft D. weiter abgerechnet (Bezügemitteilungen, Bl. 10 ff. d. A.) und der Nettobetrag iHv. insgesamt 10.612,18 € an den Beklagten ausbezahlt.
Mit Schreiben vom 25.08.2020 (Bl. 146 f. d. A.) machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Überzahlung geltend und setzte dem Beklagten eine Frist bis zum 15.09.2020 zur Zahlung des Nettobetrages in Höhe von 10.612,18 € (2.569,56 € im Monat März, 2.575,69 € im Monat April, 2.656,44 € im Monat Mai und 2.810,49 € im Monat Juni). Für den Fall der Nichtzahlung innerhalb der Frist machte sie den Bruttobetrag iHv. 15.118,00 € geltend. Mit Schreiben vom 19.10.2020 (Bl. 148 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit:
"[...] Da Sie der Aufforderung zur Rückzahlung des Entgeltes mit einem Widerspruch entgegen getreten sind, ist unsererseits eine Korrektur der Lohnsteuerberechnung nicht möglich. Wir haben deshalb eine entsprechende Anzeige über den nicht erfolgten Lohnsteuerabzug in Höhe der Differenz zwischen den Steuerklassen 3 und 6 an das Finanzamt gefertigt."
Die Sozialversicherungsbeiträge iHv. 2.909,60 € konnten im Rahmen einer regelmäßigen (konzernweiten) Entgeltabrechnung mit der SV-Einzugsstelle für den Monat Oktober 2020 als "Überzahlung" wieder verrechnet werden.
Gegen den auf Antrag der Klägerin erlassenen Mahnbescheid vom 01.10.2020 über 15.118,00 € brutto hat der Beklagte unter dem 07.10.2020, beim Arbeitsgericht eingegangen am 08.10.2020, Widerspruch erhoben. Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch mit am 08.12.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin war der Ansicht,
der Beklagte sei gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sowie auf Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrages vom 13.01.2015 zur Rückzahlung verpflichtet. Mit der in diesem verwendeten Begriff "in voller Höhe" hätten die Arbeitsvertragsparteien klargestellt, dass ein Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB ausscheide.
Der Einwand einer Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB sei dem Beklagten aber auch wegen Kenntnis vom mangelhaften Rechtsgrund nicht möglich (§ 819 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Dem Beklagten sei aufgrund seiner Nichtbeschäftigung seit dem 01.03.2020 positiv bekannt gewesen, dass die Zahlung der Bezüge ab dem Monat März 2020 ohne Rechtsgrund erfolgt sei.
Eine Erstattung der Lohnsteuer an den Be...