Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechenbarkeit durch Vergleichsregelung. Berücksichtigung von Arbeitslosengeld im Vergleich. Anforderungen an § 814 Alt. 1 BGB. Keine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB mangels restlosem Verbrauch von Gehalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Vergleich von den gesetzlichen Anrechenbarkeitsregelungen abweichen, dann müssen sie das ausdrücklich so vereinbaren.
2. Der Arbeitnehmer darf - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde - im Wege des Vergleichs nicht mehr als die übliche Vergütung durch zusätzliche Zahlungen wie z.B. Arbeitslosengeld erhalten.
3. Anforderungen an bewusste Zahlungen nach § 814 Alt. 1 BGB und Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB.
Normenkette
BGB §§ 166, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 814; SGB X § 115; BGB § 818 Abs. 3; ZPO § 97
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 16.09.2020; Aktenzeichen 2 Ca 282/20) |
Tenor
- Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.09.2020 - 2 Ca 282/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, an ihn ausgezahlte Nettobeträge zurückzuzahlen.
Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis. Am 09.10.2018 sprach die Klägerin eine fristlose Kündigung aus. Vor dem Arbeitsgericht Mainz, Verfahren 2 Ca 1444/18, schlossen die Parteien am 19.08.2019 - bei umgekehrten Parteirollen- den folgenden Vergleich:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 09.10.2018, sondern durch ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 07.02.2019, ohne ein Verschulden des Klägers, am 30.09.2019 sein Ende finden wird.
2. Bis zu dem unter Ziffer 1 genannten Zeitpunkt stellt die Beklagte den Kläger unwiderruflich und bezahlt von der Arbeitsleistung frei unter Anrechnung auf mögliche Urlaubs- und Überstundenansprüche.
3. Als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an den Kläger eine Abfindung in Höhe von EUR 110.000,00 brutto in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG.
4. Die Beklagte verpflichtet sich, die sich ursprünglich im Laptop der Beklagten, genutzt durch den Kläger, befindliche SDHC-Karte an diesen herauszugeben.
5. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollend formuliertes qualifiziertes Arbeitszeugnis, welches ihn in Leistung und Führung mit der Note "gut" bewertet und das mit einer Dankesformel und Zukunftswünschen schließt.
6. Die Parteien sind sich im Übrigen darüber einig, dass mit Erfüllung des Vergleichs sämtliche geldwerten Forderungen bekannter oder unbekannter Art aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erledigt sind. Hiervon ausgenommen sind Ansprüche des Klägers aus der betrieblichen Altersversorgung.
7. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Es fand ein Anspruchsübergang in Höhe des ausgezahlten Arbeitslosengeldes gem. § 115 SGB X statt, was die Bundesagentur der Klägerin mit Schreiben vom 11.12.2018 mitteilte. Der Beklagte erhielt Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 18.557,76 EUR.
Im Verfahren 2 Ca 1444/18 vor dem Arbeitsgericht Mainz, in dem die Parteien den Vergleich geschlossen haben, hatte der Beklagte - dort Kläger- Vergütungsansprüche für den Zeitraum nach der fristlosen Kündigung geltend gemacht und hierbei den übergegangenen Betrag in Abzug gebracht.
Aufgrund des Anspruchsübergangs entrichtete die Klägerin den vorgenannten Betrag von 18.557,76 EUR an die Bundesagentur.
Im Nachgang des 30.09.2019 zahlte die Klägerin zur Vergütung der zwischen der außerordentlichen Kündigung am 09.10.2018 und der Beendigung am 30.09.2019 liegenden Zeit einen Nettobetrag vom 34.123,25 EUR an den Beklagten aus und erteilte Lohnabrechnungen. Hierbei brachte die Klägerin den Betrag von 18.557,76 EUR nicht in Abzug.
Die Rückzahlung dieses Betrags macht sie mit der vorliegenden Klage geltend.
Sie hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen, der Vergleich stehe der Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten nicht entgegen. Sollte die Anrechenbarkeit der aufgrund des Forderungsübergangs nach § 115 SGB X an die Bundesagentur gezahlten Beträge ausgeschlossen sein, so hätte dies einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Dies aber hätten beide Parteien bei Abschluss des Vergleichs nicht gewollt, was auch daraus erkennbar sei, dass der Kläger seine Zahlungsanträge unter Anrechnung übergegangener Ansprüche erhoben hatte. Auch da der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen der Überzahlung erst nach dem Vergleich entstanden sei, könne er von der Ausschlussklausel des Vergleichs nicht erfasst sein.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 18.557,76 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2020 zu zahlen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass eine Überzahlung erfolgt sei. Zudem stehe die Ausschlussklausel einer Rückzahlung entgegen...