Entscheidungsstichwort (Thema)
Equal-Pay. mehrgliedriger Tarifvertrag. Leiharbeitnehmer. Bezugnahmeklausel. tarifliche Ausschlussfrist. Unbegründete Differenzlohnklage eines Leiharbeitnehmers bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf mehrgliedrigen Tarifvertrag. tariflicher Verfall der Ansprüche bei verspäteter Geltendmachung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein arbeitsvertraglich in Bezug genommener mehrgliedriger Tarifvertrag mangels Tariffähigkeit einer beteiligten Tarifvertragspartei unwirksam, berührt dies nicht die Wirkungen der Verweisung.
2. Eine Formularklausel, die auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag verweist, ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Intransparenz allein wegen der Verweisung auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag rechtsunwirksam, wenn die zusammengefassten Einzeltarifverträge zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch inhaltsgleich sind.
3. Im vorliegenden Fall sind eventuelle Equal-Pay-Ansprüche eines Leiharbeitnehmers mangels rechtzeitiger Geltendmachung aufgrund der Ausschlussfrist des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrags zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) verfallen.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2; BGB § 307 Abs. 1 S. 2; TVG §§ 1-2; AÜG § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 4 S. 1; MTV Nr. 19.2; MTV Nr. 19.3; BGB § 307 Abs. 3 Sätze 1-2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 29.11.2011; Aktenzeichen 6 Ca 755/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 29.11.2011, Az.: 6 Ca 755/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des "Equal-Pay" nach § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG.
Der Kläger ist seit dem 15. November 2004 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, welches Arbeitnehmer mit behördlicher Genehmigung gemäß den Regelungen des AÜG gewerbsmäßig überlässt. Der Kläger ist bei der XY. im Außendienst als Stromableser eingesetzt. Er führt seine Tätigkeit durchgängig von einem Homeoffice unter eigener Anschrift aus. Im Gegensatz zu unmittelbar bei der XY. angestellten Ablesern ist der Kläger nicht zum selbständigen Inkasso berechtigt.
Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. Februar 2005 (Bl. 10 ff. d. A.) enthält auszugsweise folgende Regelungen:
"1....Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).
Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. (INZ). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge..."
...
"14. Ausschluss von Ansprüchen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.
Unberührt hiervon bleiben Ansprüche aus unerlaubter Handlung.
Lehnt die Gegenpartei die Erfüllung des Anspruchs schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird, dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.
Einsprüche oder Einwendungen gegen die Vergütungsabrechnung sind nach sofortiger Prüfung unverzüglich zu melden bzw. anzuzeigen."
Nach dem Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09) betreffend die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice Agenturen (CGZP), schloss der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) am 15.03.2010 mit der CGZP, der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV, dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstlei...