Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsmöglichkeit, anderweitige. Betriebsratsanhörung. Darlegungslast, sekundäre. Interessenausgleich. Namensliste. Kündigung aufgrund Interessenausgleich mit Namensliste
Leitsatz (amtlich)
1. § 1 Abs. 5 KSchG ist verfassungsgemäß.
2. Die Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG bezieht sich auch auf die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens.
3. Wenn auch die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG beim Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste keinen erleichterten Anforderungen unterliegt, so bedarf es bei Einleitung des Anhörungsverfahrens keiner weiteren Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber, wenn der Betriebsrat bereits aufgrund der Interessenausgleichsverhandlungen über die erforderlichen Kenntnisse für eine sachgerechte Stellungnahme zu den konkret beabsichtigten Kündigungen verfügt.
Normenkette
BetrVG § 102; GG Art. 12 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 5; ZPO § 138
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 18.04.2005; Aktenzeichen 7 Ca 2581/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 18.04.2005 – Az: 7 Ca 2581/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 27.10.2004.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie und beschäftigt am Standort in Neuwied regelmäßig 300 Mitarbeiter. Der Kläger (geb. am 28.03.1977, verheiratet, ein im November 2004 geborenes Kind) ist seit dem 02.06.1998 als Maschinenbediener für die Beklagte – zuletzt zu einem Bruttomonatsverdienst von 2.572,60 EUR – tätig.
Am 27.10.2004 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit einer Liste der Namen von 35 zu entlassenden Arbeitnehmern, darunter auch des Klägers. Zu den Einzelheiten des vereinbarten Interessenausgleichs nebst Anlagen wird auf Bl. 20-41 der Akte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.11.2004 und stellte den Kläger unter Verrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Gegen die Kündigung vom 27.10.2004 wendet sich der Kläger mit der am 16.11.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Kündigung verstoße gegen § 1 Abs. 1 KSchG, weil die Beklagte keine dringenden betrieblichen Erfordernisse dargelegt habe, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden. Die Beklagte könne sich insoweit nicht auf § 1 Abs. 5 KSchG berufen, weil diese Vorschrift gegen Art. 12 GG und Art 20 Abs. 3 GG verstoße und daher verfassungswidrig sei. Das Umstrukturierungskonzept der Beklagten sei in sich widersprüchlich, willkürlich und praktisch undurchführbar. Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl sei grob fehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG, weil die Beklagte zum einen den Mitarbeiter M. aus der Sozialauswahl „herausgenommen” habe und weil er mit den Maschinenbedienern verglichen worden sei, obgleich er bereits drei Jahre als Betreuer eingesetzt werde. Schließlich sei auch eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht erfolgt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen;
- festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Ansprüche des Klägers auf Erholungsurlaub sowie sonstige Ansprüche des Klägers auf Freizeitgewährung mit der einseitig von der Beklagten angeordneten Freistellung zu verrechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt:
Die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 5 KSchG rechtmäßig und auch der Betriebsrat sei ausweislich § 4 des Interessenausgleichs vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Mit Urteil vom 18.04.2005 hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Bezüglich des genauen Inhalts der Entscheidung wird auf das Urteil (Blatt 122 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 09.08.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 10.08.2005, hat der Kläger gegen das ihm am 02.08.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – AZ: 7 Ca 2581/04 – Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28.09.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 30.09.2005, begründet.
Der Kläger trägt hierzu unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag vor:
Das Arbeitsgericht Koblenz-Auswärtige Kammern Neuwied – sei...