Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Benachteiligung durch arbeitsvertragliche Klausel zur Rückforderung von Weiterbildungskosten bei nur jährlicher Staffelung während dreijähriger Bindungsdauer
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitsvertragliche Klausel über die Rückforderung Weiterbildungskosten ist dann unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, wenn sie bei einer Rückforderungssumme, die das Bruttomonatseinkommen des fortgebildeten Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigt, bei einer dreijährigen Bindungsdauer nur eine grobe, jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungsverpflichtung vorsieht, ohne auf eine ausdifferenzierte, etwa monatliche Staffelung abzustellen.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1, § 812 Abs. 1, § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3, § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 18.09.2014; Aktenzeichen 8 Ca 1111/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 18. September 2014 - 8 Ca 1111/14 - wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage werden die Kläger und Widerbeklagten zu 1-3 als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten und Widerkläger 675,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2014 zu zahlen.
Die Kläger und Widerbeklagten zu 1-3 werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Beklagten von Ausbildungskosten in Höhe von 5.355,00 EUR brutto gemäß Rechnung vom 06.05.2014, Nr. xxx der G., S-Stadt, freizustellen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ausbildungskosten.
Die Kläger zu 2 und 3 betreiben als Gesellschafter die Klägerin zu 1, eine Kfz-Prüfstelle, in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Beklagte war bei der Klägerin zu 1 vom 14. Januar 2013 bis zum 15. Mai 2014 beschäftigt.
Unter dem Datum vom 14. Januar 2013 vereinbarten die Klägerin zu 1 und der Beklagte einen "Ausbildungs-Anstellungsvertrag". Dieser sah vor, dass der Beklagte, ein Dipl.-Ing. FH, zunächst eine zehnmonatige Ausbildung zum Prüfingenieur absolviert und danach als Prüfingenieur bei der Klägerin beschäftigt wird. Der Vertrag hat im Einzelnen folgenden Inhalt - soweit hier von Interesse:
"
AUSBILDUNGS-ANSTELLUNGSVERTRAG
...
wird folgender Anstellungsvertrag vereinbart:
I. AUSBILDUNGSVERTRAG
Ausbildung zum Prüfingenieur
...
1.1 GEGENSTAND DES VERTRAGES
...
Der Ingenieur verpflichtet sich, die für eine Tätigkeit als Prüfingenieur gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation durch Teilnahme an einem 10-monatigen Lehrgang bei der G. S-Stadt und deren Vertragsbüro Prüfstelle. ... zu erwerben und diese Ausbildung erfolgreich abzuschließen.
...
1.3. KOSTEN DER AUSBILDUNG; AUSBILDUNGSUNTERSTÜTZUNG
...
Der Arbeitgeber übernimmt sämtliche Kosten der Ausbildung des Ingenieurs, die aus Anlass der Schulung bei der G. entstehen und die sich im Einzelnen wie folgt zusammensetzen:
Bruttoentgelt gem. Ziff. 1.3.1 Abs. 3 zzgl. Lohnnebenkosten - Arbeitgeberanteil, Büronutzungsanteil, Ausbildungskosten bei der G., praktische Ausbildung beim Arbeitgeber sowie Prüfgebühren.
1.3.1 Aufstellung der voraussichtlichen Ausbildungskosten:
Bruttogehalt mit Nebenkosten Ca. 10 Monate x 1.800,00 € |
18.000,00 € |
Schulung Theorie bei G. |
13.000,00 € |
Schulung prakt. bei Prüfstelle. ... ohne Berechnung |
0,00 € |
Führerscheine (A, C, CE) |
3.500,00 € |
Sonstige Kosten (Prüfungsgebühren etc.) ca. |
1.000,00 € |
|
35.500,00 € |
...
Die Parteien sind sich darüber einig, dass durch die genannte Lehrgangsteilnahme auf Seiten des Arbeitgebers Kosten in Höhe von rund 35.500,00 € entstehen.
Der Ingenieur erhält für die Dauer der Ausbildung, beginnend mit dem 14.01.2013 und endend mit der Ablegung der staatlichen Prüfung nach Anlage VIIIb StVZO, längstens aber bis zum Inkrafttreten des Anstellungsvertrages mit dem Arbeitgeber, eine Ausbildungsunterstützung in Höhe von € 1.800,00 brutto pro Monat vom Arbeitgeber.
...
1.4. Rückzahlung der Ausbildungskosten
Sämtliche Kosten der Ausbildung mit den Nebenkosten und die Ausbildungsunterstützung (im folgenden "Ausbildungskosten" genannt) werden von der Prüfstelle. ... laufend buchhalterisch erfasst und am Ende der Ausbildung als Anlage zu diesem Vertrag verbindlich festgestellt. Der Ingenieur kann monatlich die Bekanntgabe von Zwischensalden verlangen.
Falls der Ingenieur seine Ausbildung nicht oder nicht erfolgreich beendet oder aus Gründen, die er zu vertreten hat, dieser Vertrag endet oder falls er die Tätigkeit als Prüfingenieur nicht bei der ... aufnimmt, ist er der ... zur Rückzahlung aller aufgewendeten und festgestellten Ausbildungskosten in voller Höhe nebst 6 % Zinsen ab Eintritt des Rückzahlungsgrundes verpflichtet.
Im Übrigen ist der...