Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragswidriger Lohneinbehalt wegen Minusstunden. Rechtswidrige Aufrechnung gegen Lohnforderung bei Vereinbarung eines Überstundenkontos mit Freizeitausgleich. Unbegründete Bereicherungsklage der Arbeitgeberin bei Annahmeverzugslohnanspruch des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird im schriftlichen Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden gegen Zahlung eines Monatslohns von 900 Euro brutto vereinbart und bestimmt, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit nach der betrieblichen Übung richtet, etwa anfallende Überstunden auf einem Überstundenkonto angesammelt und nach Absprache mit der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange in Zeiten mit geringerem Arbeitsanfall durch Freizeit abgegolten werden, haben die Parteien vereinbart, dass ein "Überstundenkonto" geführt werden soll; als ein spezielles Arbeitszeitkonto erfasst und dokumentiert ein "Überstundenkonto" nur die aus Überzeitarbeit erworbenen "Gutstunden", die grundsätzlich in Freizeit auszugleichen sind.
2. Sehen die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen für ein Überstundenkonto nicht die Möglichkeit vor, das Überstundenkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich aus der Nichtausschöpfung der vereinbarten Wochenarbeitszeit ergeben, lässt allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer (aus welchen Gründen auch immer) im Verlauf des Arbeitsverhältnisses 111 Arbeitsstunden zu wenig geleistet hat, nicht die Schlussfolgerung zu, dass er auch mit einem negativen Kontostand einverstanden ist, der mit späteren Vergütungsforderungen (sogar bis auf "Null") verrechnet werden kann.
3. Die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos und insbesondere die Möglichkeit eines negativen Kontostandes bedürfen einer entsprechenden Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien; ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und kann abhängig von der näheren Ausgestaltung in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrücken, wobei die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden voraussetzt, dass die Arbeitgeberin diese Stunden im Rahmen einer verstetigten Vergütung entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte Arbeitszeit vorschussweise vergütet erhalten hat.
4. § 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist; zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag.
5. Haben die Arbeitsvertragsparteien kein Arbeitszeitkonto vereinbart, liegt die Verantwortung für Zuweisung und Einteilung der Arbeit allein bei der Arbeitgeberin; als Gläubigerin der geschuldeten Arbeitsleistung hat sie dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen und dazu seinen Arbeitseinsatz fortlaufend zu planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit näher zu bestimmen.
6. Kommt die Arbeitgeberin ihrer vertraglichen Obliegenheit für die Zuweisung und Einteilung der Arbeit nicht nach, gerät sie in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf; ruft sie die Arbeit nicht im Umfang der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit und entsprechend der arbeitsvertraglich vereinbarten oder von der Arbeitgeberin aufgrund ihres Weisungsrechts festzulegender Verteilung ab, bedarf es eines Angebots der Arbeitsleistung nach § 296 Satz 1 BGB nicht.
7. Ist der Arbeitnehmer vertraglich nicht zur Nachleistung der aus betrieblichen Gründen ausgefallenen Arbeitszeiten verpflichtet, hat die Arbeitgeberin nicht nur die Summe der angesammelten Minusstunden sondern deren Ursachen im Einzelnen darzulegen.
Normenkette
BGB §§ 242, 296, 394, 611 Abs. 1, §§ 615, 296 S. 1, § 394 S. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; ZPO § 850c Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 26.11.2013; Aktenzeichen 12 Ca 1434/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26. November 2013, Az. 12 Ca 1434/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung eines Lohneinbehalts aufgrund von Minusstunden.
Der 1963 geborene Kläger war vom 01.10.2011 bis 31.01.2013 bei der Beklagten als Arbeiter/Gärtner/Hausmeister zu einem Bruttomonatslohn von € 900,00 mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden beschäftigt. Er ist ggü. einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01.10.2011 haben die Parteien ua. folgendes vereinbart:
"§ 4
Die regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach der betrieblichen Übung.
Etwa anfallende Überstunden werden auf einem Überstundenkonto angesammelt und werden nach Absprache mit der Firmenleitung unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange in Zeiten mit geringerem Arbeitsanfall durch Freizeit abgegolten.
...
§ 7
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von 6 Monaten nach Fäl...