Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Verrechnung von Minusstunden bei fehlendem Nachweis einer Vereinbarung über die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos. Vergütungsklage eines Fahrlehrers bei unterlassener Beschäftigung im Umfang der vereinbarten Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Beträgt die monatliche Arbeitszeit eines Fahrlehrers vereinbarungsgemäß 243 Stunden à 45 Minuten und sieht der Arbeitsvertrag für den Fall der Überschreitung dieser Arbeitszeit einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung vor, besteht nach dem Arbeitsvertrag ein Anspruch auf Beschäftigung in dem vereinbarten Umfang der Arbeitszeit gegen Zahlung der hierfür vereinbarten Monatsvergütung.
2. Die Verantwortung für die Zuweisung und Einteilung der Arbeit liegt in der Regel beim Arbeitgeber, so dass dieser nach § 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug gerät, wenn er den Arbeitnehmer nicht im Umfang der vereinbarten Arbeitszeit einsetzt, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung bedarf; kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, kann der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 1 BGB für die infolge des Annahmeverzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.
3. Die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos, insbesondere die Möglichkeit eines negativen Kontostandes, bedarf einer entsprechenden Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien.
4. Ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und kann, abhängig von der näheren Ausgestaltung, in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrücken; die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden setzt voraus, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer verstetigten Vergütung entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte Arbeitszeit vorschussweise vergütet erhalten hat.
5. Der Umstand, dass die Arbeitsstunden der Beschäftigten erfasst werden und der Arbeitnehmer im Rahmen von Gesprächen auf Minusstunden und die Verpflichtung zur Nachleistung hingewiesen wird, ersetzt nicht die erforderliche (vorherige) Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos zwischen den Arbeitsvertragsparteien und besagt keineswegs, dass der Arbeitnehmer bei Anfall von Minusstunden der Entstehung eines negativen Stands auf seinem Arbeitszeitkonto zugestimmt hat.
Normenkette
BGB §§ 296, 611 Abs. 1, § 296 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 24.07.2014; Aktenzeichen 9 Ca 636/14) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.7.2014 - 9 Ca 636/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.759,92 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.681,88 € seit dem 18.2.2014 und aus 1.078,04 € seit dem 12.5.2014 zu zahlen.
- Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat 45 % und der Beklagte 55 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung restlicher Arbeitsvergütung für die Monate Januar und Februar 2014.
Der Kläger war bei dem Beklagten vom 01.03.2013 bis zum 28.02.2014 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.02.2013, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 52-54 d. A. Bezug genommen wird, als Fahrlehrer bei Vereinbarung einer monatlichen Arbeitszeit von 243 Stunden à 45 Minuten und einem monatlichen Bruttogehalt von 2.916,00 € beschäftigt.
Für den Monat Januar 2014 erteilte der Beklagte dem Kläger unter Abzug von 24,33 "Minus-Schulstunden", eine Abrechnung über 2.624,04 € brutto bzw. 1.681,88 € netto, für den Monat Februar 2014 unter Abzug von 43 "Minus-Schulstunden" eine Abrechnung über 2.400,00 € brutto bzw. 1.915,80 € netto. Von dem sich aus diesen Abrechnungen, hinsichtlich deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 36 f. d. A. Bezug genommen wird, ergebenden Gesamt-Nettoverdienst von 3.597,68 € nahm der Beklagte wegen von ihm behaupteter Minusstunden des Klägers aus dem Zeitraum März bis Dezember 2012 (weitere) Abzüge in Höhe von insgesamt 2.759,92 € vor und zahlte lediglich den verbleibenden Nettobetrag von 837,76 € aus.
Mit seiner am 12.02.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 30.04.2014 erweiterten Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von Arbeitsvergütung in Höhe von jeweils 2.916,00 € brutto für die Monate Januar und Februar 2014 abzüglich gezahlter 837,76 € netto in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, dass hinsichtlich der Sollarbeitszeit des Klägers von 243 Schulstunden die Führung eines Arbeitszeitkontos vereinbart worden sei. Mit dem Kläger seien regelmäßig Gespräche geführt worden, in welchen er auf seine Minusstunden angesprochen und aufgefordert worden sei, mehr zu arbeiten. Am 28.01.2014 habe dann ein abschließendes Gespräch mit dem Kläger...