Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohneinbehalt. Minusstunden. Schriftform. Stand, negativer. Übung, betriebliche. Vorschuss. Zeitschuld. Lohneinbehalt aufgrund von Minusstunden. Arbeitszeitkonto mit negativem Stand. Zustimmung des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber ist nicht zur Verrechnung sog. Minusstunden berechtigt, die aufgrund einer Unterschreitung der vereinbarten Wochenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen entstanden sind, wenn er mit dem Arbeitnehmer keine Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto mit der Möglichkeit eines negativen Kontostands getroffen hat.
Normenkette
BGB §§ 296, 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 21.07.2011; Aktenzeichen 9 Ca 2529/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. Juli 2011 – 9 Ca 2529/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung eines Lohneinbehalts aufgrund von Minusstunden.
Die Klägerin war bei der Beklagten, die eine öffentliche Badeanstalt betreibt, aufgrund Arbeitsvertrags vom 14. Mai 2008 (Bl. 40 bis 45 d.A.) seit 01. Juli 2008 als Fachangestellte für Bäderbetriebe beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u. a. folgende Regelungen:
„(…)
§ 3
Arbeitszeit
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Wochenstunden. Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, soweit gesetzlich zulässig, Nacht-, Wechselschicht und Sonn- bzw. Feiertagsarbeit sowie Mehr- und Überarbeit zu leisten, wenn der Arbeitgeber dies (aus betrieblichen Gründen) anordnet.
§ 4
Vergütung
Für ihre Tätigkeit erhält die Arbeitnehmerin ein monatliches Gehalt von 1.780,00 EUR brutto. Die Vergütung ist jeweils am letzten eines Monats fällig.
Mit dieser Bruttovergütung sind die aus betrieblichen Gründen anfallenden und vom Arbeitnehmer zu leistenden Über- und Mehrarbeitsstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit abgegolten.
Die Zahlung der Vergütung erfolgt bargeldlos. Frau C. wird innerhalb von 10 Tagen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Konto errichten und die Kontonummer mitteilen.
(…)
§ 10
Sonstiges
Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
(…)
§ 11
Vertragsänderungen
Nebenabreden und Änderungen dieses Vertrags bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.
(…)”
Die Beklagte erstellt einen Jahresdienstplan, der unter Berücksichtigung der im Verlauf des Jahres unterschiedlichen Nachfrage bzw. des unterschiedlichen Angebots ihrer Dienstleistungen geringere Arbeitszeiten in den Wintermonaten und erhöhte Arbeitszeiten in den Sommermonaten vorsieht. Die Dienstpläne für den betreffenden Monat werden von der Beklagten jeweils einen Monat im Voraus erstellt. In den Kalendermonaten Januar, Februar, März und April sieht der Dienstplan vor, dass der betreffende Mitarbeiter an manchen Tagen acht Stunden und an manchen Tagen überhaupt nicht arbeitet. Es werden sog. Minusstunden verbucht, wenn in den betreffenden Monaten weniger als die regelmäßige Arbeitszeit gearbeitet wird. Während der Hochsaison in den Monaten Mai bis September werden die Mitarbeiter von der Beklagten so eingesetzt, dass auch mit den in den verbleibenden Monaten Oktober bis Dezember zu verbuchenden Minusstunden, die sich aufgrund der wetter-/temperaturbedingten Nachfragesituation ergeben, eine gleichmäßige Arbeitsbelastung während eines Kalenderjahres entsteht. Für jeden Monat des Kalenderjahres wird die Vergütung in gleicher und vereinbarter Höhe bezahlt. Diese betriebliche Regelung war der Klägerin bekannt.
Die Klägerin schied aufgrund ihrer Kündigung zum 15. Mai 2010 aus ihrem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten aus. Mit den Abrechnungen für die Monate April und Mai 2010 behielt die Beklagte von der Arbeitsvergütung der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.372,75 EUR brutto für 118,75 Minusstunden ein, die sich auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin aufgrund ihrer dienstplanmäßigen Arbeitseinteilung ergeben hatten.
Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr den vollen Restlohn ohne Abzug zu zahlen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Die daraufhin vorgerichtlich erfolgte anwaltliche Korrespondenz endete mit dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 27. August 2010 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
Mit ihrer am 20. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Klage, die der Beklagten am 23. Dezember 2010 zugestellt worden ist, verfolgt die Klägerin ihre Forderung auf Auszahlung der einbehaltenen Vergütung in Höhe von 1.372,75 EUR brutto weiter.
Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, der von der Beklagten vorgenommene Lohnabzug sei unzulässig. Falls der Arbeitnehmer selbst gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, seine Arbeitszeit zu bestimmen und so Minusstunden abzubauen, könne er die der vereinbarten Arbeitszeit entsprechende Vergütung auch dann verlangen, wenn es der Arbeitgeber versäumt habe, Arbeit im vereinbarten zeitlichen Umfang zuz...