Entscheidungsstichwort (Thema)
Flexibilisierungsvereinbarung zum Tarifvertrag für Kulturorchester. Arbeitsunfähigkeit im Ausgleichszeitraum
Leitsatz (redaktionell)
1. Soll der Arbeitgeber auch bei so genannten Ausgleichstagen das Risiko tragen, dass der Arbeitnehmer die rechtzeitig festgelegten Ausgleichstage wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nutzen kann, muss dies im Wortlaut der kollektiven Vereinbarung deutlich zum Ausdruck kommen.
2. Das Bundesurlaubsgesetz enthält eine Spezialregelung, die weder unmittelbar noch analog anwendbar ist.
Normenkette
BGB § 362 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 19.10.2004; Aktenzeichen 3 Ca 1623/04) |
Tenor
1)Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom19.10.2004 3 Ca 1623/04 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2)Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Nachgewährung von arbeitsfreien Tagen. Der Kläger steht als Violinist bei der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Diensten des beklagten Landes. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Kulturorchester kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung.
Das beklagte Land hat mit der Deutschen Orchestervereinigung für den Landesbetrieb Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, L., am 07.07.2000 eine Flexibilisierungsvereinbarung (Bl. 13 bis 15 d.A.) abgeschlossen. Diese enthält eine Reihe unterschiedlicher Bestimmungen zu § 15 TVK, der die Arbeitszeit der Musiker regelt. Diese Flexibilisierungsvereinbarung (im Folgenden: FV) sieht etwa vor, dass der Ausgleichszeitraum für die Gewährung von freien Diensten bei gleichzeitiger Erhöhung der wöchentlichen Dienste auf 23 Wochen ausgedehnt wird. § 3 Abs. 3 der FV enthält folgende Regelung:
„Als Ausgleich für die Möglichkeit der Inanspruchnahme nach den Absätzen 1 und 4 erhält das Orchester sieben freie Tage pro Spielzeit, die im Einvernehmen mit dem Orchestervorstand möglichst zusammenhängend zu disponieren sind; die Festlegung der freien Tage soll am Ende der vorangehenden Spielzeit und muß spätestens 8 Wochen vor den freien Tagen erfolgen.”
Das zuständige Gremium der Staatsphilharmonie hat entschieden, dass für die vorangegangene Spielzeit der Ausgleichszeitraum von § 3 Abs. 3 FV in die Zeit vom 30.03. bis zum 12.04.2004 gelegt wird. Während dieser Zeit war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Mit Schreiben vom 21.04.2004 beantragte er, ihm die sieben freien Tage nachzugewähren. Da die Beklagte dieses Ansinnen ablehnte, verfolgt er es im vorliegenden Verfahren weiter.
Der Kläger hat vorgetragen,
er habe seine Leistung auf größere Flexibilisierung im Laufe der Spielzeit erbracht. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihm auch die Gegenleistung zu gewähren. Diese habe er wegen seiner Erkrankung nicht in Anspruch nehmen können. Die Gewährung der freien Tage seien mit Urlaubstagen vergleichbar, da die einzelnen Musiker aufgrund der erweiternden Regelungen der FV einer höheren arbeitsmäßigen Belastung ausgesetzt seien. Beim Abschluss der FV hätten die Vertragsschließenden nicht an den Krankheitsfall gedacht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm die sieben zusätzlichen freien Tage aus der Spielzeit 2003/2004 (i.S. § 3 Abs. 3 Flexibilisierungsvereinbarung für den Landesbetrieb Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in der Spielzeit 2003/2004) zu gewähren,
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, ihn an sieben Tagen in der Spielzeit 2003/2004 unwiderruflich unter Befreiung von der Erreichbarkeitspflicht, von der Arbeitspflicht freizustellen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1 und 2:
Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die ihm in der Spielzeit 2003/2004 zustehenden sieben zusätzlichen freien Tage im Sinne § 3 Abs. 3 Flexibilisierungsvereinbarung, die er aufgrund einer Erkrankung vom 30.03.2004 bis 12.04.2004 nicht in Anspruch nehmen konnte, nachträglich zu gewähren.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält aus Rechtsgründen die Klage für unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19.10.2004, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Anspruch aus § 3 Abs. 3 FV durch die gewährten freien Tage erfüllt. Der Ausgleich durch sieben freie Tage führe nicht zu einer Erhöhung des Urlaubsanspruchs des betreffenden Arbeitnehmers. Die FV enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass die sieben arbeitsfreien Tage im Krankheitsfalle des Musikers nachzugewähren seien. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 57 des Urteils Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger form und fristgerecht Berufung eingelegt und diese in gleicher Weise begründet.
Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Rechtslage fehlerhaft beurteilt. Es liege für den Krankheitsfall eine unbewusste Regelungslücke in der FV vor, an die die Tarifvertragsparteien beim A...