Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung einer Krankenschwester nach Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und längerer Erkrankung. Unbegründete Leistungsklage bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitnehmerin zur Beschränkung arbeitsvertraglicher Leistungspflichten auf bestimmten Arbeitsplatz. Unzulässiger Feststellungsantrag zur Unwirksamkeit der Versetzung nach Ausübung des Wahlrechts durch Leistungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitspflichten können sich nach längerer Zeit auch ohne ausdrückliche Erklärungen auf bestimmte Arbeitsbedingungen beschränken; die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum begründet regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Arbeitgeberin von ihrem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will.
2. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert; nur bei Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer die Arbeitnehmerin darauf vertrauen darf, dass sie nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch schlüssiges Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen.
3. Umfasst das arbeitsvertragliche Weisungsrecht der Arbeitgeberin die Befugnis, der Arbeitnehmerin als Krankenschwester nach Maßgabe des § 106 GewO eine andere Krankenhausstation als die bisherige zuzuweisen, rechtfertigt allein ihre langjähriger Einsatz auf den Krankenhausstationen "4B, 5A und 5B" nicht das Vertrauen darauf, dass sie "für alle Zukunft" nur noch auf diesen Stationen eingesetzt werden darf.
4. Ist es vor der Erkrankung der Arbeitnehmerin zu "erheblichen Komplikationen auf den Stationen 4 und 5" gekommen und entschließt sich die Arbeitgeberin dazu, die Arbeitnehmerin nach ihrer Rückkehr aus einer langandauernden Krankheitsphase auf der Station 1 einzusetzen, überschreitet sie die Grenzen billigen Ermessens nicht, da es grundsätzlich Sache der Arbeitgeberin ist, was sie bei Schwierigkeiten Arbeitsplatz veranlassen will.
5. Bei Streit über die Berechtigung einer Versetzung haben die Beschäftigten zwei Möglichkeiten: Sie können die Berechtigung der Versetzung im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen oder sie setzen ihren Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO durch; hat die Klägerin ihre Wahlrecht zugunsten der Leistungsklage ausgeübt und ist die Arbeitgeberin bereits rechtskräftig dazu verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Stationsleitung zu beschäftigen, ist ein Feststellungsantrag zur Unwirksamkeit der Versetzung nur zulässig, wenn ein gesondertes Interesse an der begehrten Feststellung vorgetragen oder erkennbar ist.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; GewO § 106 S. 1; ZPO § 138 Abs. 1-2, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 29.01.2014; Aktenzeichen 4 Ca 2301/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29. Januar 2014, Az. 4 Ca 2301/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang des Direktionsrechts der Beklagten.
Die 1959 geborene Klägerin ist seit 01.10.1979 im Krankenhaus der Beklagten in A-Stadt angestellt. Sie wurde als Krankenschwester eingestellt, mit Wirkung ab 01.10.1992 zur Gruppenschwester und ab 01.04.2001 zur Stationsschwester befördert. Ihr Bruttomonatsgehalt beträgt einschließlich Stationsleitungszulage € 3.390,12. Die Beklagte beschäftigt in drei Betriebsstätten in C-Stadt und A-Stadt etwa 1.800 Arbeitnehmer. Es besteht eine Mitarbeitervertretung. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung gelten für das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung.
Die Klägerin war vom 16.11.2011 bis 18.04.2013 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluss nahm sie ihren Resturlaub bis 21.05.2013. Seit 22.05.2013 wird sie von der Beklagten wieder in A-Stadt beschäftigt. Zwischen den Parteien fanden vor Arbeitsantritt mehrere Gespräche über den Einsatz der Klägerin nach ihrer Genesung statt. Ein Einvernehmen konnte nicht erzielt werden. Am 30.04.2013 sandte die Pflegedienstleiterin der Klägerin folgende E-Mail:
"Liebe Schwester ,
hiermit möchten wie Ihnen mitteilen, wo wir uns Ihren Einsatz nach der Krankheitsphase vorstellen können.
Wir werden Ihnen die Möglichkeit geben, auf der Station 1 einzusteigen. Dabei räumen wir Ihnen dieselben Konditionen ein, wie in dem Angebot in C-Stadt als Wiedereinstieg.
Für die Dauer von drei Monaten würde Ihr Frühdienst um 7.00 Uhr beginnen und der Spätdienst um 19.00 Uhr enden. In dieser Zeit haben Sie Gelegenheit, sich in das Fachgebiet einzuarbeiten und wieder in Ihrem Beruf Fuß zu fassen. Anschließend werden Sie gemeinsam mit Schwester W. über Aufgabenteilung im Leitungsbereich beraten. Dies ist so auch mit Schwester W. besprochen.
Alternativ planen wir einen Patientenservice für den Wahlleistungsbe...