Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung, betriebsbedingte. Versetzungsrecht. Beendigungskündigung bei Filialschließung
Leitsatz (amtlich)
1. Bezüglich der Frage, ob es sich bei einer Filiale um einen selbständigen Betrieb oder um einen unselbständigen Betriebsteil handelt, ist von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen.
2. Es widerspricht Treu und Glauben, wenn der Arbeitgeber der eine Vertretungsklausel im laufenden Arbeitsverhältnis für Vertretungsanordnungen gegenüber dem Arbeitnehmer nutzt, sich dann aber nach einer betriebsbedingten Kündigung bezüglich der Frage des auswahlrelevanten Personenkreises im Rahmen der Sozialauswahl auf deren Unwirksamkeit beruft.
Normenkette
BGB § 2; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 4 Ca 1317/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung gegen das am 02.03.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, Az.: 4 Ca 1317/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird zugelasssen.
Tatbestand
Im vorliegenden Verfahren wehrt sich die Klägerin gegen eine ihr gegenüber seitens der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Beendigungskündigung.
Die 1974 geborene Klägerin ist seit dem 01.05.1998 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.915,– EUR.
Die Klägerin schloss am 03.08.1998 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Arbeitsvertrag. Danach war sie zunächst im W Ludwigshafen, Kostenstelle 93510 eingesetzt. Hierbei handelte es sich um die Filiale 265 in Ludwigshafen-Rheingönheim. Bezüglich der zwischenzeitlich erfolgten Umstrukturierungen der V Gruppe wird auf die Ausführungen im Beklagtenschriftsatz vom 04.01.2006 (Bl. 124 ff d.A.) verwiesen.
In § 2 des Arbeitsvertrages ist geregelt:
”Tätigkeit und Arbeitsgebiet
- Das Arbeitsgebiet umfasst, soweit vorhanden, die in der Stellenbeschreibung ausgeführten Tätigkeiten.
- Der Mitarbeiter ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers auch eine andere seiner Stellung und seinen Fähigkeiten entsprechende, zumutbare Tätigkeit innerhalb der W-Unternehmensgruppe zu übernehmen.”
Die Klägerin wurde zu einem späteren Zeitpunkt in die Filiale 263 in Ludwigshafen-U versetzt. Bei der Eröffnung einer weiteren Filiale in Speyer wurde sie für einige Tage in diese Filiale versetzt.
Die Einstellung im Jahre 1998 erfolgte dergestalt, dass die Klägerin über eine Freundin, die im W Ludwigshafen-Rheingönheim arbeitete, davon erfuhr, dass in diesem Markt eine Teilzeitkraft gesucht werde. Sie stellte sich unmittelbar dem dortigen damaligen Marktleiter vor und führte mit diesem bezüglich der Einstellung ein etwa zehnminütiges Gespräch.
Sie bekam dann einige Zeit später den Arbeitsvertrag vom 03.08.1998 von der Zentrale der Beklagten in Berlin zugesandt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf denselben verwiesen (Bl. 5 bis 10 d. A.).
Die Versetzung zu dem Markt Ludwigshafen U erfolgte dergestalt, dass sie sich um eine Versetzung bewarb. Ihre Wechselabsicht teilte sie ihrem damaligen Marktleiter in Ludwigshafen Rheingönheim mit. Dieser leitete alle Maßnahmen ein, führte nach Kenntnis der Klägerin ein Telefonat mit dem Marktleiter der Filiale Ludwigshafen U. Zum späteren Zeitpunkt erhielt sie dann eine von der Zentrale in Berlin ausgefertigte Versetzung. Ein Gespräch mit dem Marktleiter der Filiale Ludwigshafen U wurde vor der Versetzung nicht geführt.
Die Klägerin erhielt während ihrer Beschäftigungszeit verschiedentlich Vertragsänderungen, sowohl was die Arbeitszeitdauer anging, als auch was Lohnerhöhungen anging. Diese Vertragsänderungen wurden nicht mit ihrem jeweiligen Marktleiter verhandelt. Sie erhielt entsprechende Schreiben seitens der Zentrale in Berlin, so am 01.06.1999 bezüglich einer Aufstockung ihrer Arbeitszeit auf 37,5 Stunden (Bl. 198 d. A.), die Zuweisung der Tätigkeit als Hauptkassiererin durch Vertragsänderung vom 23.11.1999 (Bl. 199 d. A.), eine Gehaltserhöhung ab 01.07.2000 gemäß Vertragsänderung vom 22.06.2000 (Bl. 200 d. A.) sowie eine weitere Gehaltserhöhung ab dem 01.07.2000 gemäß Vertragsänderung vom 22.08.2000 und eine Vertragsänderung wegen einer Gehaltserhöhung gemäß Schreiben 26.06.2000 (Bl. 202 d. A.).
Die Beklagte hat an ihrer Zentrale in Berlin eine zentrale Personalabteilung für alle Filialen eingerichtet. Dort werden die Personalakten geführt. In den einzelnen Filialen, so auch in der Filiale der Klägerin, wird eine Urlaubs- und Abwesenheitskartei geführt.
Arbeitsverträge, Kündigungen, Abmahnungen und sonstige arbeitsvertragliche Änderungen werden alle von der zentralen Personalabteilung in Berlin schriftlich umgesetzt. Die Frage, ob und wieviele betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, wird ebenfalls zentral von der Personalabteilung in Berlin entschieden.
Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsverfahren nach den §§ 99, 102 BetrVG werden auch von der Zentrale in Berlin aus d...