Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmer. Statusklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB enthält ein Abgrenzungsmerkmal zur Unterscheidung von Selbstständigen und Arbeitnehmern. Selbstständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wesentlichstes Merkmal für eine abhängige Beschäftigung ist ein umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers.

2. Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein freier Dienst- oder Werkvertrag vorliegt ist wegen der fließenden Grenzen zwischen diesen Vertragstypen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abgrenzend zu beurteilen. Die das Rechtsverhältnis prägenden charakteristischen Merkmale sind zu beurteilen, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrags und der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben.

3. Ein für eine Tageszeitung tätiger Fotograf fällt nicht unter § 1 MTV Redakteure, denn er wirkt nicht kreativ im Sinn von eigenschöpferisch und auf eigenen Einfällen und Entschlüssen beruhend, an der Erstellung des redaktionellen Teils einer Tageszeitung mit.

 

Normenkette

BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; Manteltarifvertrag für Redakteure und Redakteurinnen bei Tageszeitungen (MTV Redakteure) § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 25.10.2000; Aktenzeichen 2 Ca 969/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.10.2000 – AZ: 2 Ca 969/00 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Fotograf mit der Beklagten steht.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger hat 1/3 und die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und ob auf dieses die Vorschriften des Manteltarifvertrages für die Redakteure und Redakteurinnen bei Tageszeitungen anzuwenden ist.

Der Kläger ist seit Ende 1987 durchgehend für die Beklagte als Pressefotograf tätig. Als solcher arbeitete er im Jahr 1999 an insgesamt 251 Tagen und lieferte dabei der Beklagten insgesamt 1.690 Bilder, durchschnittlich also ca. 140 Bilder pro Monat.

Die bei der Beklagten beschäftigten Fotografen tragen jeweils bei Jahresbeginn die Zeiträume, während derer sie Urlaub nehmen wollen, in einen Jahreskalender ein. Eine nachträgliche Änderung dieses Urlaubsplanes bedarf einer vorherigen Abstimmung zwischen den Fotografen und der Beklagten. Die Termine für die von den Redaktionen angeforderten Fotos (Bildbestellungen) werden abends in der Bildredaktion von Mitarbeitern der Beklagten für den darauffolgenden Tag auf die einzelnen Fotografen verteilt. Am Freitagabend erfolgt jeweils die Terminverteilung für das gesamte Wochenende. Die Bildbestellungen werden in mehreren Durchschlägen ausgefüllt und abends in ein Fach des Klägers bei der Bildredaktion gelegt. Durchschläge der Bildbestellungen gehen auch an die einzelnen Redaktionen, damit diese wissen, welcher Fotograf welchen Termin wahrnimmt, damit auch die einzelnen Redaktionen gegebenenfalls per Mobiltelefon mit dem Fotografen Kontakt aufnehmen können, um besondere Wünsche über Inhalt und Format der Bilder mitzuteilen. Nach Wahrnehmung der Termine begibt sich der Kläger in das Redaktionslabor der Beklagten und entwickelt dort die Filme. Während der Entwicklung der Filme werden am hauseigenen Computer eventuelle Veränderungen des Bildformates bei der Redaktion abgefragt. Nach Trocknung der Filme werden diese im Redaktionsbüro auf dem Leuchtpult gesichtet. Danach werden sie entweder vom Kläger selbst oder von einer Laborantin eingescannt. Dabei werden die Filme mit entsprechenden Informationen über Ort der Aufnahme, Motiv, Bildbeschreibung, Personen, Datum usw. registriert. Nach dem Einscannen werden die Ausdrucke mit dem Durchschlag des Bildbestellzettels in die jeweilige Redaktion bzw. zu dem jeweiligen Redakteur gebracht.

Zusätzlich zu den ihm jeweils abends erteilten Aufträgen erhält der Kläger auch im Laufe des Tages über Mobiltelefon von den einzelnen Redaktionen weitere Aufträge, welche er sodann in der oben geschilderten Weise bearbeitet.

Zu näheren Darstellung (insbesondere) des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.10.2000 – AZ: 2 Ca 969/00 – (Bl. 153 bis 157 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.10.2000 festgestellt, dass der Kläger in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten steht und dass auf dieses Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Redakteure bei Tageszeitungen anzuwenden ist. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 14 dieses Urteils (= Bl. 157 bis 165 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 05.12.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.01.2001 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland...

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