Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls. Entgeltfortzahlung: Vorliegen zweier selbständiger Verhinderungsfälle, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten arbeitsfähg war
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung wird auch dann auf sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt, wenn während bestehender Krankheit eine neue Krankheit hinzutrifft, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkiet führt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderungen die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles).
2. Zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur für wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war.
Normenkette
EFZG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 08.07.2009; Aktenzeichen 4 Ca 602/08) |
Tenor
I Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens vom 08. Juli 2009 – 4 Ca 602/08 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Monat April 2008 608,07 EUR brutto zu zahlen.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2008 1.263,36 EUR brutto zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten 1. Instanz hat der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen, von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger ebenfalls 1/10, der Beklagte 9/10 zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Monate April und Mai 2008.
Der am 19.04.1972 geborene Kläger war seit dem 18.04.2006 beim Beklagten im Dachdeckergewerbe beschäftigt. Er erzielte ein Arbeitseinkommen in Höhe von 13,16 EUR brutto pro Stunde bei einem 8- Stunden-Tag und 5 Tagen/Woche.
In der Zeit vom 30.12.2007 bis einschließlich 13.01.2008 war der Kläger aufgrund eines Unfalls, bei dem er sich eine Kniedistorsion rechts zuzog, arbeitsunfähig. Vom 29.03.2008 bis 20.04.2008 war der Kläger arbeitsunfähig aufgrund einer erlittenen Platzwunde am Kopf/Gehirnerschütterung.
Am 21.04.2008 wurde der Kläger gegen 17:00 Uhr am Knie operiert, er erschien an diesem Tag nicht zur Arbeit. Der Kläger legte dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 21.04.2008 bis zum 15.05.2008 vor.
Der Beklagte erteilte zunächst unter dem 15.05.2008 dem Kläger die Verdienstabrechung 04/2008. Wegen des Inhalts wird auf die entsprechende Anlage zur Klageschrift (Bl. 7 d. A.) Bezug genommen. Sodann erteilte der Beklagte am 06.08.2008 eine Korrekturabrechnung 04/2008 sowie eine Differenzabrechnung 04/2008. Auf diese Anlagen zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.09.2008 (Bl. 16 ff. d. A.) wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 09.07.2008 forderte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten den Beklagten zur Zahlung von Lohnfortzahlung für den Zeitraum vom 21.04.2008 bis zum 17.05.2008 auf.
Aufgrund der Korrekturabrechnungen wurden an den Kläger weitere 234,17 EUR brutto gezahlt.
Seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung verfolgt der Kläger mit der am 12.09.2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – eingegangenen Klage weiter. Der Kläger hat vorgetragen, er sei zwischen der Arbeitsunfähigkeit in der Zeit bis zum 20.04.2008 aufgrund der Gehirnerschütterung und der OP am 21.04.2008 gesundet gewesen. Die Krankheit aufgrund der Platzwunde/Gehirnerschütterung sei mit Ablauf des 20.04.2008 abgeheilt gewesen. Am 21.04.2008 habe er lediglich aufgrund einiger Voruntersuchungen an diesem Tag seine Arbeit nicht aufnehmen können. Er hätte am 21.04.2008 um 08:00 Uhr zur Arbeit erscheinen müssen. Die Voruntersuchungen hätten am gleichen Tag um 09:00 Uhr begonnen.
Für April 2008 errechne sich ein Entgeltfortzahlungsanspruch für 8 Arbeitstage in Höhe von 842,24 EUR brutto, für Mai 2008 in Höhe von 1.263,36 EUR brutto für insgesamt 12 Arbeitstage.
Der Kläger hat die ihm behandelnden Ärzte Dr. H. B. und Dr. F. von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, für den Monat April 842,24 EUR brutto zu zahlen und
- für den Monat Mai 2008 1.263,36 EUR brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen,
zwischen der Erkrankung des Klägers vom 29.03.2008 bis zum 20.04.2008 und der wieder aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit ab dem 21.04.2008 habe auch nicht für 1 Stunde Arbeitsfähigkeit des Klägers bestanden. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers ende damit mit dem 24.04.2008. Die im Krankenhaus durchgeführten Untersuchungen hätten in direkten Zusammenh...