Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheit des Verkündungsfalles. Zahlungsklage: Arbeitsentgelt, Entgeltfortzahlung. Entgeltfortzahlung bei Neuerkrankung während Arbeitsunfähigkeit. unbegründete Zahlungsklage bei fehlendem Nachweis selbständiger Verhinderungsfälle

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt; in diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechswochenfrist nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles)

2. Eine weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann der Arbeitnehmer nur dann verlangen, wenn die erste Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsverhinderung führt; zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheitszeiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war.

3. Über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und somit über das Ende des Verhinderungsfalles entscheidet grundsätzlich der Arzt; enthält die ärztliche Bescheinigung nur die Angabe eines Kalendertages, wird damit im Regelfall die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der vom erkrankten Arbeitnehmer üblicherweise an diesem Kalendertag zu leistenden Arbeitsschicht bescheinigt.

4. Wird der Arbeitnehmer gemäß Entlassungsbericht am 23.12.2010 als arbeitsfähig aus einer Reha-Maßnahme entlassen und steht er damit der Arbeitgeberin ab dem 24.12.2010 wieder als arbeitsfähig zur Verfügung, liegt ein einheitlicher Verhinderungsfall vor, wenn er (bereits während der Reha-Maßnahme an gesundheitlichen Problemen mit seinem Knie leidend) am Morgen des 23.12.2010, kurz vor seiner Abfahrt aus der Reha-Maßnahme, einen Unfall erleidet, sich bei einem Sturz das Bein verdreht und wegen starker Schmerzen und einer Schwellung des Knies noch am gleichen Tag von seinem Hausarzt gegen 15.00 Uhr mittels einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank geschrieben wird.

 

Normenkette

EFZG § § 3 ff., § 3 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 04.08.2011; Aktenzeichen 9 Ca 1335/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.08.2011 - 9 Ca 1335/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten die Zahlung weiterer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen kann.

Der 1948 geborene Kläger ist bei der Beklagten, einem Speditionsunternehmen, das weit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 25.10.2001 als Lkw-Fahrer gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.300,00 EUR beschäftigt.

Seit dem 29.04.2010 ist der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Zuletzt hat er in der Zeit vom 02.12. bis zum 23.12.2010 an einer Reha-Maßnahme der Deutschen Rentenversicherung teilgenommen. Aus dieser Maßnahme wurde er gemäß dem Entlassungsbericht, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 33 d. A. Bezug genommen wird, am 23.12.2010 als arbeitsfähig entlassen. Dies hat der Kläger der Beklagten bereits mit Faxschreiben vom 17.12.2010 mitgeteilt, ferner, dass er ab dem 24.12.2010 wieder als arbeitsfähig zur Verfügung stehe.

Am Morgen des 23.12.2010, kurz vor seiner Abfahrt aus der Reha-Maßnahme, erlitt der Kläger, der nach seinem eigenen Tatsachenvortrag im beim Arbeitsgericht Koblenz geführten Verfahren 9 Ga 2/11 bereits während der Reha an gesundheitlichen Problemen mit seinem Knie litt, im Bahnhof L. einen Unfall. Danach verdrehte er sich bei einem Sturz das Bein, woraufhin starke Schmerzen und eine Schwellung des Knies auftraten, so dass der Kläger noch am gleichen Tag von seinem Hausarzt gegen 15.00 Uhr mittels einer Erstbescheinigung arbeitsunfähig krank geschrieben wurde.

Der auch in der Folgezeit bis zuletzt arbeitsunfähig erkrankte Kläger hält deshalb die Beklagte zur Entgeltfortzahlung für weitere 6 Wochen ab dem 23.12.2010 für verpflichtet.

Der Kläger hat vorgetragen,

es seien zwei selbständige Verhinderungsfälle gegeben, weil er, wenn auch nur für wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden, nach der Entlassung aus der Reha-Maßnahme arbeitsfähig gewesen sei. Dies belege der Entlassungsbericht. Dem stehe nicht entgegen, dass ihm noch bis zum 23.12.2010 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt gewesen sei. Im Übrigen habe er zwar zuvor über rezidivie-rende belastungs- und bewegungsabhängige Kniegelenksbeschwerden geklagt, diese hätten allerdings noch nicht zu seiner Arbeitsunfähigkeit geführt. Mit der Krankschreibung vom 23.12.2010 sei folglich eine Erst...

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