Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschreitung des Direktionsrechts bei Angebot nicht gleichwertiger Stelle. Unangemessenheit der Befristung einer Stelle als Gruppenleiter. Vertragsinhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB auch bei Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 TzBfG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber überschreitet sein Direktionsrecht, wenn er dem Arbeitnehmer eine nicht gleichwertige Stelle als Lagerarbeiter anbietet, obwohl er diesem zuvor schon eine solche Stelle als Gruppenleiter übertragen hat.

2. Die Befristung einer Stelle als Gruppenleiter wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers ist unwirksam.

 

Normenkette

BetrVG § 78 S. 2; BGB § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 05.12.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1236/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 5. Dezember 2019, Az. 3 Ca 1236/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Die Beklagte erbringt Dienstleistungen im Bereich der Lagerhaltung für zwei Regionalgesellschaften der X.-Gruppe. Am Standort Nieder-Olm unterhält sie ein Warenlager mit 72 Arbeitnehmern; es besteht ein Betriebsrat, dessen Mitglied der Kläger ist. Der 1981 geborene Kläger ist seit 22.12.1997 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Er wurde als Lagerarbeiter eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels für Rheinland-Pfalz Anwendung. Der Manteltarifvertrag (MTV) hat ua. folgenden Wortlaut:

"§ 2 Einstellung und Probezeit

1. Arbeitsverträge bedürfen der Schriftform. ... Jede entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages ist entsprechend zu bestätigen.

2. Eine Probezeit darf 3 Monate nicht überschreiten. In begründeten Ausnahmefällen kann im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die vereinbarte Probezeit um längstens 3 Monate verlängert werden. ..."

Der Kläger bewarb sich auf eine innerbetriebliche Stellenausschreibung (Nr. 17) vom 28.02.2018 auf die Stelle des Gruppenleiters. Der Betriebsrat stimmte der geplanten Versetzung zum 01.04.2018 am 15.03.2018 zu. Vom 20. bis 23.03.2018, vom 03. bis 06.04.2018 und vom 10. bis 13.04.2018 nahm der Kläger an einer Schulung im X.-Logistikzentrum in Balingen teil. Er wurde für eine Tätigkeit als Gruppenleiter, ua. in der Anwendung einer Logistiksoftware geschult, die die Beklagten auch in ihrem Warenlager Nieder-Olm einführen wollte.

Mit E-Mail vom 04.04.2018 (Betreff: "Offene Fragen") wandte sich der Kläger an den Betriebsleiter in Nieder-Olm. In Ziff. 4. heißt es:

"Am 09.04. bin ich in Nieder-Olm und würde mich freuen, wenn wir die Gruppenleitertätigkeit vertraglich - rückwirkend zum 01.04. - festhalten können."

Der Betriebsleiter antwortete ihm mit E-Mail vom 05.04.2018, die der Kläger nicht gelesen haben will, wie folgt:

"Eine Versetzung/Umgruppierung ab 01.04.2018 (Erprobung für 6 Monate) haben wir schriftlich fixiert und kann am 09.04. von beiden Seiten unterzeichnet werden."

Mit Wirkung ab 01.04.2018 wurde der Kläger mit Zustimmung des Betriebsrats auf diese Stelle versetzt und von Lohngruppe III des Lohntarifvertrags in Gehaltsgruppe III des Gehaltstarifvertrags (GTV) umgruppiert. Ob eine Erprobung für sechs Monate vereinbart wurde, ist streitig. Der Kläger unterzeichnete am 09.04.2018 folgendes Formblatt der Beklagten, in dem es - auszugsweise - wie folgt heißt:

"Versetzung/Umgruppierung

...

Versetzung/ Umgruppierung ab 01.04.2018

bisher

neu

...

...

...

Funktion

Lagerarbeiter

Gruppenleiter

Lohn- und Gehaltsgruppe

L III

G III /Tj. 3

Tarifgehalt

2.243,00 €

2.484,00 €

...

...

...

Hiermit bestätige ich, dass ich mit der Versetzung/Umgruppierung einverstanden bin.

______[Kläger]_____________

Unterschrift des Mitarbeiters

Bemerkungen:

Erprobung für 6 Monate bis 30.09.2018 vereinbart.

Datum

Außendienst

Betriebsrat

Personalabteilung

09.04.2018

[Unterschrift]

Die Beklagte war mit der Arbeitsleistung des Klägers als Gruppenleiter nicht zufrieden. Sie bewertete die - aus ihrer Sicht wirksam vereinbarte - Erprobung als nicht bestanden. Mit Schreiben vom 26.09.2018 teilte sie dem Kläger mit, dass die mit ihm vereinbarte befristete Erprobung auf der Stelle des Gruppenleiters zum 30.09.2018 ende. Sie werde ihm diese Stelle nicht dauerhaft und über den Erprobungszeitraum hinaus übertragen und ihn daher ab 01.10.2018 wieder als Lagerarbeiter mit Eingruppierung in Lohngruppe III einsetzen. Das Schreiben wurde dem Kläger am 27.09.2018 im Anschluss an ein Personalgespräch übergeben.

Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zur (Rück-)Versetzung und Umgruppierung des Klägers ab 01.10.2018. Die Beklagte leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren (3 BV 54/18) ein. Eine vorläufige personelle Maßnahme iSd. § 100 BetrVG führte sie zunächst nicht durch und beschäftigte den Kläger als Gruppenleiter weiter. Am 06.08.2019 beantragte sie erneut die...

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