Entscheidungsstichwort (Thema)
Beleidigung. Kündigung. Ordentliche Kündigung wegen Beleidigung des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
Die Äußerung gegenüber dem Arbeitgeber: „Sie haben hier nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen” rechtfertigt den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen 3 Ca 382/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.6.2010 – 3 Ca 382/10 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10.5.2010 nicht zum 30.6.2010, sondern erst zum 31.7.2010 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat 82 % und der Beklagte 18 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 67 % dem Kläger und zu 33 % dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 27.06.1952 geborene Kläger war bei dem Beklagten, der einen Lebensmittelmarkt betreibt, seit dem 17.03.2003 als Substitut beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubilden.
Am 14.01.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Mit Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten vom 24.02.2010 wurde ihm ein GdB von 70 anerkannt.
Am 08.02.2010 verweigerte der Kläger die Annahme eines Schreibens, welches den Ausspruch einer fristlosen Kündigung beinhaltete. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 10.02.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis (erneut) fristlos. Mit Bescheid vom 15.04.2010 erteilte das Integrationsamt dem Beklagten auf dessen Antrag hin die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 25.04.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2010. Diese Kündigung nahm der Beklagte mit Schreiben vom 10.05.2010 zurück, erklärte jedoch mit Schreiben selben Datums eine erneute ordentliche Kündigung zum 30.06.2010.
Der Beklagte hat erstinstanzlich im Kammertermin vom 22.06.2010 erklärt, dass er an keiner der vor dem 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen festhalte. Die Parteien haben daraufhin die Hauptsache bezüglich der vom Kläger gegen die vom 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklagen übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger, der die vom Beklagten vorgetragenen Kündigungssachverhalte bestritten hat, hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 10.05.2010 zum 30.06.2010 beendet worden ist, sondern unverändert über diesen Termin hinaus fortbesteht.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.100,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zukünftig auf Basis einer Bruttovergütung von 2.650,00 EUR abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, der Kläger habe am 08.02.2010 eine Mitarbeiterin (die Zeugin A.) bezichtigt, an einem Diebstahl beteiligt gewesen zu sein, der sich vor einiger Zeit im Betrieb ereignet habe und dass es dafür Zeugen gebe. Die Namen der betreffenden Zeugen habe der Kläger auf Nachfrage der Mitarbeiterin nicht genannt. Daraufhin sei diese zu ihm – dem Beklagten – gegangen und habe ihm von den Vorhaltungen des Klägers berichtet. Der Beklagte habe den Kläger sodann in sein Büro gebeten und ihn ebenfalls nach den Namen von Zeugen gefragt. Nachdem der Kläger auch ihm keine Namen genannt habe, habe er dem Kläger erklärt, er solle das lassen. Daraufhin habe der Kläger sinngemäß geantwortet: „Herr B., Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen.”
Von der weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2010 (Bl. 94 – 98 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 22.06.2010 stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 – 13 dieses Urteils (= Bl. 99 – 105 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 01.07.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.07.2010 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe es vor Ausspruch der streitbefangenen ordentlichen Kündigung nicht einer vorherigen Abmahnung bedurft. Eine solche sei vorliegend entbehrlich gewes...