Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Beleidigung. Interessenabwägung. Jawohl mein Führer. Kündigung, verhaltensbedingte. Wiederholungskündigung. verhaltensbedingte Kündigung wegen der Äußerung „Jawohl mein Führer”
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber ist mit einer weiteren Kündigung aufgrund derselben Kündigungsgründe nach rechtskräftig abgeschlossenem Kündigungsschutzprozess dann nicht ausgeschlossen, wenn er nunmehr nicht fristlos sondern fristgerecht kündigen will.
2. Einzelfallentscheidung zur Erforderlichkeit einer Abmahnung und zur Interessenabwägung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 08.06.2010; Aktenzeichen 12 Ca 137/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.06.2010, Az: 12 Ca 137/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betreibt Lebensmittel-Discounter und beschäftigt ständig mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer. Der am 31.01.1961 geborene, verheiratete und 2 Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.12.1995 seit dem 02.01.1996 bei der Beklagten als Bezirksleiter/Bereichsleiter beschäftigt. Sein Bruttomonatsverdienst beträgt durchschnittlich 6.300,00 EUR. Als Bereichsleiter ist der Kläger verantwortlich für eine Anzahl ihm anvertrauter Filialen. Die Bereichsleiter sind fachlich den Verkaufsleitern unterstellt, disziplinarisch den Niederlassungsleitern.
Am 15.09.2008 erinnerte die im Verkaufssekretariat tätige Frau K. auf Bitten des zuständigen Verkaufsleiters, Herrn F., den Kläger an fehlende Umsatzmeldungen. Im Rahmen des diesbezüglich von Frau K. mit dem Kläger geführten Telefonats unterstrich sie die ohnehin bekannte Wichtigkeit der Vorlage der abgemahnten Meldung und erklärte des Weiteren, dass der Verkaufsleiter Herr F. größten Wert auf den nunmehr umgehenden Vollzug lege. Der Kläger kommentierte dies mit der Äußerung: „Jawohl, mein Führer”.
Frau K. informierte den Verkaufsleiter F.über diese Äußerung des Klägers, der sodann am Wochenende mit dem Kläger telefonierte. Die Einzelheiten des Telefonats sind zwischen den Parteien streitig. Anschließend entschuldigte sich der Kläger bei Frau K. für seine Äußerung.
Über die mit Schreiben vom 29.09.2008 von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses führten die Parteien einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Koblenz bzw. zweitinstanzlich dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az: 12 Ca 2360/08 sowie 11 Sa 263/09). Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils lautete: „Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.09.2008 nicht beendet worden ist.” Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies durch Urteil vom 17.12.2009 die Berufung der Beklagten rechtskräftig zurück. Wegen der Einzelheiten des Urteils des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17.12.2009 wird auf das in JURIS vollständig veröffentlichte Urteil verwiesen.
Mit Schreiben vom 28.12.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2010 (Bl. 10 f. d. A.).
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.12.2009 nicht aufgelöst wird, sondern ungekündigt fortbesteht,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens in ihrem Zweigbetrieb in A-Stadt als Bezirksleiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, bei der Äußerung des Klägers am 15.09.2008 handele es nicht um einen einmaligen Vorfall, da der Kläger dieselbe Äußerung gegenüber Frau K. schon zuvor einmal in einem Telefonat wegen fehlender Umsatzmeldungen am 01.09.2008 gemacht habe. Weiterhin habe sich eine Kundin namens Sch. per E-Mail vom 16.09.2008 beschwert über das von ihr bei einem Einkauf am 02.09.2008 beobachtete Verhalten des Klägers gegenüber der Mitarbeiterin M..
Das Arbeitsverhältnis sei auch zuvor nicht unbelastet gewesen, da es in den Jahren 2002 bis 2007 zu Kritikschreiben, Ermahnungen und Abmahnungen gekommen sei. Wegen der Einzelheiten dieses Sachvortrags wird auf den Schriftsatz vom 06.04.2010, Bl. 55 ff. d. A., verwiesen. Ergänzend wird zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen auf den Tatbestand des Arbeitsgerichts Koblenz im Urteil vom 08.06.2010 Bezug genommen (Bl. 126 – 129 d. A.)
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht Koblenz in vollem Umfang nach den Klageanträgen erkannt.
Diese Entscheidung hat es – zusammengefasst – damit begründet, die streitgegenständliche ordentliche Kündigung sei nicht aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt, da sich die Beklagte auf die von ihr vorgetragenen Kündigungsgründe nicht berufen könne. Es handele sich vorliegend insow...