Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätete Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Zugang einer Willenserklärung unter Anwesenden. Zugangsfiktion einer Willenserklärung bei Verhinderung des Zugangs durch den Erklärungsempfänger. Auslösung der Zugangsfiktion erst nach einem zweiten erfolglosen Zustellversuch der Willenserklärung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage beginnt mit dem Zugang der Kündigung. Maßgeblich ist, dass und wann sie nach § 130 BGB dem Kündigungsgegner tatsächlich zugegangen ist.

2. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu, wenn sie in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist und er in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.

3. Verhindert der Erklärungsempfänger durch eigenes Verhalten den Zugang einer Willenserklärung, muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des (ersten) Übermittlungsversuchs zugegangen.

4. Der Erklärende muss seinerseits alles Zumutbare dafür tun, dass seine Erklärung den Adressaten erreicht. Dies kann sogar bei bewusster Verweigerung der Entgegennahme eines Kündigungsschreibens einen sofortigen erneuten Zustellversuch erfordern.

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1, § 242; KSchG § 4 S. 1, § 7; BGB § 623

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 03.07.2018; Aktenzeichen 3 Ca 460/18)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - 3 Ca 460/18 - vom 03. Juli 2018 abgeändert.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch eine mündliche Kündigung vom 27.03.2018 noch durch eine schriftliche Kündigung vom 27.03.2018 aufgelöst worden ist.
  3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens (I. und II. Instanz) zu tragen.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit 15. Februar 2017 als Hausmeister und in der Spülküche bei der Beklagten, einem Gastronomiebetrieb, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war nach Ziffer 2.1 des Arbeitsvertrags bis 15. Februar 2019 befristet (Bl. 4 ff. d.A.). Ziffer 2.3 des Arbeitsvertrages sieht die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. Bei einem Stundenlohn von 9,75 Euro erzielte der Kläger ein Bruttomonatsgehalt von 1.648,00 Euro.

Am 27. März 2018 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten statt, bei dem (wenigstens) zwei Zeugen zugegen waren. Dem Kläger sollte ein Schreiben übergeben werden. Er nahm dieses nicht entgegen und verwies auf den an seiner Wohnanschrift vorhandenen Briefkasten. Der Kläger gab den Schlüssel für den Betrieb der Beklagten ab, was ihm quittiert wurde.

Mit seiner am 24. April 2018 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingereichten Klage wandte sich der Kläger zunächst gegen eine mündliche Kündigung vom 27. März 2018.

Der Kläger hat vorgetragen,

ihm sei keine Kündigungserklärung vor die Nase gehalten worden. Er habe eine Erklärung, die er nicht gelesen habe, unterzeichnen sollen. Dazu habe er sich geweigert. Er habe darauf hingewiesen, dass für seine Wohnung an seiner Adresse ein Briefkasten angebracht sei (unstreitig). Die Erklärung solle ihm zugeschickt werden. In seinem Briefkasten sei aber nie eine Kündigung gewesen. Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe seien unsubstantiiert.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mündliche Kündigung vom 27. März 2018 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der Kläger habe sich geweigert, den Erhalt der Kündigung zu quittieren. Man habe ihm das Kündigungsschreiben (Bl. 34 d.A.) vor die Nase gehalten. Der Kläger habe einen Blick darauf geworfen und gesagt, er werde die Kündigung nicht annehmen. Die Kündigung sei am selben Tag noch in den Briefkasten des Klägers geworfen worden. Der außerordentliche Kündigungsgrund liege darin, dass der Kläger dem Mitarbeiter Z gedroht habe, er werde ihn töten. Ihr Geschäftsführer habe ihn daraufhin abgemahnt. Der Kläger habe sich zwar zunächst beruhigt, aber wenig später den Mitarbeiter Z wieder damit bedroht, ihn umzubringen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei unzumutbar.

Zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3. Juli 2018 (Bl. 60 und 61 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 3. Juli 2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Klage auch gegen eine schriftliche Kündigung gerichtet sei. Das Kündigungsschreiben vom 27. März 2018 sei dem Kläger am 27. März 2018 zugegangen. Der Zugang erfolge unter Anwesenden auch dann, wenn das Kündigungsschreiben zur Übergabe angereicht, aber nicht entgegengenommen werde. Daher habe der Kläger m...

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