Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Mehrarbeitszeitpauschale
Leitsatz (redaktionell)
Der Vorbehalt des Widerrufs einer vereinbarten Arbeitszeitpauschale für den Fall, dass sich "die Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen sie abgeschlossen worden ist, wesentlich oder ganz ändern" ist nicht hinreichend bestimmt und mangels Vereinbarung eines sachlichen Grundes für den Widerruf unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 611, 307 Abs. 1, § 308 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 10.11.2016; Aktenzeichen 9 Ca 2250/15) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, vom 10.11.2016, Az.: 9 Ca 2250/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand einer zwischen ihnen getroffenen vertraglichen Vereinbarung.
Der Kläger ist seit dem 01.05.2002 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag vom 02.04.2002 enthält u. a. folgende Bestimmungen:
"...
2. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 36,0 Stunden. Eine abweichende Festlegung kann im Rahmen der tariflichen und betrieblichen Bestimmungen getroffen werden.
...
4. Ihre monatliche Vergütung richtet sich nach den betrieblichen Bestimmungen und beträgt
3.451,50 € brutto
(in Worten dreitausendvierhunderteinundfünfzig Euro, fünfzig Cent)
Sie wird spätestens zum Monatsende überwiesen.
...
8. Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, die Arbeitsordnung, die sonstigen Betriebsvereinbarungen, die Verhaltensrichtlinie und die sonstigen Richtlinien sowie die Anweisungen der Firma in der jeweiligen Fassung.
..."
Im Zuge der Einstellungsverhandlungen äußerte der Kläger Vergütungsvorstellungen, die bei der damals maßgeblichen betrieblichen und tariflichen Arbeitszeit von 36 Stunden wöchentlich seitens der Beklagten nicht realisiert werden konnten. Die Parteien verständigten sich deshalb dahingehend, dass der Kläger zwar das von ihm gewünschte Gehalt erhalten, hierfür aber wöchentlich 40 Stunden arbeiten solle. In Ansehung dieser Vereinbarung unterzeichneten die Parteien ein Schreiben der Beklagten vom 03.04.2002 folgenden Inhalts:
"... in Absprache mit dem Betriebsrat und in Anlehnung an die bestehende Absprache mit dem G. Germersheim gewähren wir Ihnen mit Wirkung vom 01.05.2002 eine monatliche Mehrarbeitszeitpauschale von 17,4 Stunden.
Diese hier getroffene Vereinbarung ist jederzeit widerruflich. Sie kann insbesondere dann widerrufen werden, wenn sich die Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten, unter denen sie abgeschlossen worden ist, wesentlich oder ganz ändern. Sie erhalten über den genauen Termin der Rückführung der Pauschale zum gegebenen Zeitpunkt nochmals eine Information.
..."
Am 26.01.2016 schloss die Beklagte mit der IG-Metall einen "Tarifvertrag zur Neuorganisation der Logistik-Center der D. AG in Deutschland". Dieser Tarifvertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:
"...
2. Altbelegschaft - Stufenweise Arbeitszeiterhöhung auf 39 Stunden pro Woche
(1) Ab dem 01.01.2016 wird die tarifliche Arbeitszeit ohne Pausen auf 37,5 Stunden pro Woche und ab dem 01.01.2017 auf 39 Stunden pro Woche ohne Entgeltausgleich erhöht.
...
(4) Beschäftigte können pro Erhöhung im Sinne von Absatz 1 einmalig anstelle der Arbeitszeiterhöhung eine entsprechende Minderung des Arbeitsentgelts wählen. Dieses Wahlrecht muss spätestens einen Monat vor der jeweiligen Arbeitszeiterhöhung geltend gemacht werden. Das Wahlrecht gilt nur für die beiden Zeitpunkte der Arbeitszeiterhöhung 01.01.2016 und 01.l01.2017.
..."
Mit Schreiben vom 14.12.2015 kündigte die Beklagte die Vereinbarung über die Gewährung einer monatlichen Mehrarbeitspauschale zum 31.12.2015. Ein Widerruf der Vereinbarung vom 03.04.2002 erfolgte sodann mit Schreiben der Beklagten vom 21.01.2016 zum 01.02.2016 unter Hinweis auf den Tarifvertrag zur Neuorganisation der Logistik-Center.
Das monatliche Grundgehalt des Klägers beläuft sich auf 5.112,12 € brutto, die auf der Grundlage vom 03.04.2002 gezahlte Mehrarbeitszeitpauschale auf monatlich auf monatlich 568,01 € brutto.
Der Kläger hat sein Wahlrecht nach IV., 2., Abs. (4) des Tarifvertrages vom 26.01.2016 dahingehend ausgeübt, dass er sowohl für die Zeit ab dem 01.01.2016 die Arbeitszeiterhöhung auf 37,5 Stunden wöchentlich, als auch für die Zeit ab dem 01.01.2017 die (weitere) Arbeitszeiterhöhung auf 39 Wochenstunden gewählt hat.
Die Beklagte hat die Zusatzvereinbarung vom 03.04.2002 erneut vorsorglich zum 01.01.2017 widerrufen.
Mit seiner am 29.12.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens erweiterten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit sowohl der Kündigung als auch des Widerrufs der Zusatzvereinbarung vom 03.04.2002 geltend gemacht.
Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Vereinbarung vom 04.03.2002 sei nicht ausgehandelt worden...