Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung als Schadensersatz bei arbeitsvertraglichem Ausschluss jeglicher Urlaubsansprüche im Rahmen geringfügiger Beschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin wandelt sich in einen Schadensersatzanspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution um, wenn die Arbeitgeberin den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt (§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB); dieser Schadensersatzanspruch unterliegt nicht der gesetzlichen Befristung gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG.
2. Kann der als Schadensersatz geschuldete Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist die Arbeitnehmerin gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen.
3. Mit der von der Arbeitgeberin formulierten Vertragsklausel, wonach sich " .. die Vertragspartner .. darüber einig" sind, "dass die Vergütung entsprechend den Vorschriften des § 40a Einkommenssteuergesetz erfolgen soll und somit ein Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht besteht", bringt die Arbeitgeberin deutlich zum Ausdruck, dass sie nicht bereit ist, Urlaubsansprüche zu erfüllen, und verweigert damit bereits bei Vertragsschluss jegliche Gewährung von Urlaub von vornherein ernsthaft und endgültig (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB), so dass sie sich im Zeitpunkt des Verfalls des jeweiligen Urlaubsanspruchs in Verzug befindet; einer Geltendmachung der Urlaubsansprüche durch die Arbeitnehmerin oder einer entsprechenden Mahnung, um die Arbeitgeberin in Verzug zu setzen, bedarf es nicht.
4. Spiegelt die Arbeitgeberin der geschäftsunerfahrenen Arbeitnehmerin, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die tatsächliche Rechtslage aufgeklärt wird, durch eine vorformulierte Vertragsklausel vor, dass keinerlei Urlaubsansprüche bestehen, und hält sie die Arbeitnehmerin dadurch davon ab, Urlaub in Anspruch zu nehmen, täuscht die Arbeitgeberin über das Bestehen von Urlaubsansprüchen und verletzt damit in schwerwiegender Weise ihre Aufklärungspflichten, so dass ein Schadensersatzanspruch auch auf § 280 Abs. 1 BGB mit §§ 311 Abs. 2 und 241 Abs. 2 BGB gestützt werden kann.
Normenkette
BGB §§ 249, 251 Abs. 1, § 275 Abs. 1, 4, § 280 Abs. 1, §§ 283, 286 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1, § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 311 Abs. 2; BUrlG § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 11.12.2014; Aktenzeichen 6 Ca 446/14) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserlautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.12.2014, Az: 6 Ca 446/14, werden zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte hat 77 % und die Klägerin 23 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichteten Schadensersatzanspruch der Klägerin.
Die Klägerin war bei dem Beklagten vom 01.04.2008 bis zum 15.04.2014 als geringfügig Beschäftigte tätig. Sie arbeitete jeweils von montags bis freitags und erhielt zuletzt eine vertragsgemäße Arbeitsvergütung von 450,00 EUR netto monatlich.
Der von der Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.04.2008 enthält in § 2 u.a. folgende Bestimmung:
"...Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass die Vergütung entsprechend den Vorschriften des § 40a Einkommenssteuergesetz erfolgen soll und somit ein Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht besteht."
Die Klägerin hat während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen bezahlten Urlaub erhalten.
Mit ihrer am 07.08.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen für die Jahre 2010 bis 2014 mit einem Gesamtbetrag von 1.515,00 EUR netto in Anspruch genommen. Bezüglich der Zusammensetzung dieses Betrages wird auf die Klageschrift vom 05.08.2014 (dort Seite 2 = Bl. 2 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte zahlte nach Klageerhebung den auf das Urlaubsjahr 2014 entfallenden Teilbetrag an die Klägerin aus, so dass diese ihre Klage insoweit nicht mehr weiterverfolgt hat.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.12.2014 (Bl. 35 bis 38 d. A.).
Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.410,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.08.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.12.2014 in Höhe von 1.080,00 EUR netto nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils im Wes...